Psychologische Sicherheit: Neuer Hype oder einfach nur "Fehlerkultur in fancy"?

Es gibt so Begriffe, die fliegen einem plötzlich um die Ohren, als hätte jemand im Business-Buzzword-Labor ein neues Trend-Elixier gebraut. "Psychologische Sicherheit" ist so ein Begriff. Klingt erst mal ganz gut, oder? Ein bisschen nach warmem Kakao in der Chefetage, nach Sicherheitsgurt für das fragile Ego, nach einer Welt, in der sich niemand mehr vor dem Feedback-Meeting hinterm Schrank duckt.

Aber Moment mal – hatten wir das nicht alles schon mal? Klingelt es da nicht irgendwo? War da nicht gerade noch die Rede von "Fehlerkultur"? Ist psychologische Sicherheit also nur die Neuauflage des alten Gassenhauers? Ein "Greatest Hits Album" der Unternehmensberatung? Oder steckt doch mehr dahinter?

Psychologische Sicherheit: Die hippe Cousine der Fehlerkultur?

Psychologische Sicherheit beschreibt ein Arbeitsumfeld, in dem Menschen sich trauen, offen zu sprechen, ohne Angst vor Blamage, Bestrafung oder Karriereknick. Klingt erstmal wie die Fehlerkultur von vorgestern, die uns predigte, dass man aus Fehlern lernt, sie feiern soll (mit Konfetti und auf sogenannten “Fuck Up Nights” - wer erinnert sich?) und dass niemand dafür fertig gemacht wird. Und doch gibt es einen feinen, aber entscheidenden Unterschied:

Fehlerkultur konzentriert sich darauf, wie wir mit Fehlern umgehen. Psychologische Sicherheit geht tiefer: Sie fragt nicht nur, ob wir Fehler tolerieren, sondern ob wir überhaupt frei sprechen können – auch über Dinge, die keine Fehler sind, sondern einfach nur unbequeme Wahrheiten. Es geht um Mut, Meinungen, Ideen, Kritik. Und darum, ob das Teamklima so beschaffen ist, dass niemand vor Scham im Erdboden versinkt, wenn er mal sagt: "Ich glaube, das funktioniert so nicht."

Der wahre Lackmustest: Darf man den Chef/die Chefin kritisieren?

Die wahren Grenzen psychologischer Sicherheit zeigen sich nicht, wenn die Azubine einen Tippfehler auf der Folie zugibt. Sondern wenn jemand offen ausspricht, dass die neue Strategie von oben Mist ist. Oder dass der Change-Prozess so durchdacht ist wie eine IKEA-Bauanleitung ohne Schrauben. Die Frage ist also: Dürfen Menschen unbequeme Dinge ansprechen, ohne dass sie sofort als nörgelnde Spielverderber abgestempelt werden? Oder noch schlimmer: ohne dass es subtil gegen sie verwendet wird?

Warum psychologische Sicherheit nicht nett, sondern notwendig ist

Ein Team ohne psychologische Sicherheit ist wie eine Jazzband, in der niemand improvisiert, weil alle Angst haben, falsch zu spielen. Alles klingt glatt, aber es entsteht nichts Neues. Und Innovation? Forget it. Wo keine Offenheit herrscht, bleibt alles beim Alten. Unternehmen, die sich psychologische Sicherheit auf die Fahnen schreiben, sagen im Grunde: Wir brauchen echte Gespräche. Wir brauchen die unbequemen Wahrheiten. Sonst stagnieren wir.

Es ist auch eine Sache der Effizienz: Wenn Menschen ihre Energie darauf verwenden, Fehler zu verstecken oder sich bei jedem Meeting rhetorisch abzusichern, geht wertvolle Zeit drauf. Zeit, die man in Lösungen stecken könnte, anstatt in Angstmanagement.

Die dunkle Seite der psychologischen Sicherheit

Natürlich kann man es auch übertreiben. Psychologische Sicherheit heißt nicht, dass wir jetzt alle mit Samthandschuhen angefasst werden. Es heißt auch nicht, dass jedes Feedback mit einem lavendelfarbenen "Danke, dass du deine Gefühle geteilt hast" abgefedert werden muss. Ein toxisches Missverständnis wäre, wenn Teams sich in endlosen "Wir-haben-uns-alle-lieb"-Schleifen drehen und jede Debatte in Harmonie ertränkt wird. Und was es bringt, sich gegenseitig in Watte zu packen (Nämlich: gar nichts. Es schadet sogar.) - dazu hier mehr.

Psychologische Sicherheit soll Konfrontation möglich machen, nicht verhindern. Sie ist der Mut, zu sprechen – und die Reife, Widerspruch auszuhalten.

Und jetzt? Implementieren oder ignorieren?

Psychologische Sicherheit ist mehr als Fehlerkultur 2.0, aber sie ist auch kein Zaubertrank. Sie ist eine Entscheidung. Sie entsteht nicht durch fancy Werte-Poster oder Feelgood-Workshops, sondern durch echtes Verhalten. Es braucht Führungskräfte, die Vorbild sind. Es braucht Teams, die sich gegenseitig den Rücken freihalten. Und es braucht die Bereitschaft, ehrlich zu sein, auch wenn es unbequem wird.

Also ja, psychologische Sicherheit ist mehr als der alte Wein im neuen Schlauch. Sie ist das Glas, das uns ermöglicht, den Wein überhaupt einzuschenken – und dann mutig zu sagen, ob er nach Kork schmeckt.

 

 

Psychologische Sicherheit (engl. Psychological Safety) beschreibt das Arbeitsklima in einem Team oder einer Organisation, in dem sich Menschen trauen, ihre Gedanken, Meinungen und Fehler offen zu teilen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen wie Bloßstellung, Bestrafung oder Abwertung.

Warum ist psychologische Sicherheit wichtig?

  • Fehlertoleranz & Lernen: Menschen machen Fehler. In einem sicheren Umfeld können Fehler als Lernchance genutzt werden, statt sie zu verheimlichen.

  • Innovationsförderung: Teams, die sich trauen, neue Ideen einzubringen, entwickeln kreativere Lösungen und treiben Innovation voran.

  • Bessere Zusammenarbeit: Wenn Mitarbeitende offen sprechen können, entstehen produktivere und effektivere Teamdynamiken.

  • Höhere Motivation & Zufriedenheit: Wer sich sicher fühlt, ist engagierter und trägt aktiver zum Teamerfolg bei.

  • Vermeidung von "Groupthink": Wenn alle Angst haben, abweichende Meinungen zu äußern, werden schlechte Entscheidungen getroffen.


Merkmale eines Teams mit hoher psychologischer Sicherheit

  • Fehler werden nicht bestraft, sondern als Möglichkeit zur Verbesserung betrachtet.

  • Fragen und Kritik sind willkommen, unabhängig von der Hierarchie.

  • Mitarbeitende trauen sich, Bedenken oder Risiken offen zu kommunizieren.

  • Ideen und Meinungen werden respektiert, ohne dass jemand lächerlich gemacht wird.

  • Es gibt eine Kultur des aktiven Zuhörens und wertschätzenden Feedbacks.


Wie kann psychologische Sicherheit gefördert werden?

  1. Offene Fehlerkultur etablieren – Führungskräfte und Teammitglieder sollten Fehler zugeben und daraus lernen.

  2. Konstruktives Feedback geben – Kritik sollte sachlich, lösungsorientiert und ermutigend sein.

  3. Empathische Führung leben – Führungskräfte sollten sich nahbar zeigen und eine offene Kommunikation fördern.

  4. Inklusive Meetings gestalten – Jeder sollte eine Stimme haben und ohne Angst seine Meinung äußern können.

  5. Respektvolle Kommunikation fördern – Kein Auslachen, Bloßstellen oder öffentliche Kritik.

  6. Psychologische Sicherheit regelmäßig reflektieren – Teams sollten aktiv darüber sprechen, wie sicher sich die Mitglieder fühlen.


Psychologische Sicherheit ≠ Harmonie um jeden Preis

Ein häufiges Missverständnis ist, dass psychologische Sicherheit bedeutet, dass sich alle immer einig sein müssen. Tatsächlich geht es darum, ehrliche und kritische Diskussionen zu ermöglichen – ohne Angst vor negativen persönlichen Konsequenzen.

Der Begriff wurde insbesondere von Amy Edmondson, Professorin an der Harvard Business School, geprägt und erforscht. Ihre Studien zeigen, dass Teams mit hoher psychologischer Sicherheit produktiver, innovativer und resilienter sind.


Zusammenfassung:

Psychologische Sicherheit ist die Basis für erfolgreiche Teams. Sie ermöglicht offenes Lernen, echte Innovation und bessere Zusammenarbeit. Wer sie schafft, baut ein Arbeitsumfeld, in dem Menschen mutig sind, neue Wege zu gehen – ohne Angst vor Fehlern oder negativen Konsequenzen.


Über die Autorin:

Henriette Frädrich ist Keynote-Speakerin, Moderatorin und Storytelling-Profi. Mit Energie, Humor und Tiefgang nimmt sie ihre Zuhörer:innen mit auf eine Reise durch Themen, die bewegen: von Veränderung und Resilienz über Motivation, Innovation und künstliche Intelligenz bis hin zu Kommunikation und Leadership.

Ihre Mission? Komplexes einfach machen, Köpfe öffnen und Herzen berühren. Ob auf großen Bühnen oder in interaktiven Workshops – sie kombiniert fundiertes Wissen mit emotionalem Storytelling und schafft so nachhaltige Aha-Momente. Ihre Vorträge sind mitreißende Erlebnisse, die inspirieren und Mut machen, den nächsten Schritt zu gehen.

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