Hätten Sie sich vor ein paar Jahren vorstellen können, einen digitalen Zwilling von sich zu erstellen? Einen, der Ihre Gesten imitiert, Ihre Stimme benutzt und für Sie spricht? Willkommen im Zeitalter der KI-Avatare, wo Ihre persönliche Präsenz – zumindest digital – ganz einfach vervielfältigt werden kann. Doch was bedeutet das für uns als Menschen, als Profis, als Denker:innen? Und vor allem: Was bedeutet das für mich, Henriette Frädrich, die sich leidenschaftlich gerne mit der Schnittstelle zwischen Technologie und Menschlichkeit auseinandersetzt?
Faszinierend! Warum KI-Avatare so verlockend sind
KI-Avatare sind Science-Fiction-Mythos pur. Nur dass sie inzwischen Wirklichkeit sind. Sie können Schulungen leiten, Produkte präsentieren oder Kolleg:innen einarbeiten – und das, ohne jemals müde, gereizt, genervt und unfreundlich zu werden. Der Mehrwert? Zeitersparnis, Effizienz und der Charme der Innovation. Stellen Sie sich vor, Sie wären an mehreren Orten gleichzeitig: Ihr Avatar moderiert ein Webinar in Berlin, während Sie einen Workshop in Hamburg leiten. Schon irgendwie sexy, oder?
Aber es geht natürlich nicht nur um Produktivität. Denken wir einfach mal weiter: Was wäre, wenn Sie Ihren Avatar nutzen könnten, um persönliche Botschaften zu übermitteln? Geburtstagsgrüße mit Ihrer Stimme und Mimik, auch wenn Sie selbst gerade auf Reisen sind. Oder wie wäre es mit einer interaktiven Biografie? Ein Avatar, der Ihre Lebensgeschichte erzählt und auf Fragen reagiert. Die Einsatzmöglichkeiten sind nahezu grenzenlos, und genau das macht es so faszinierend.Und ja, auch spooky und beängstigend.
Die Schatten: Was macht das Ganze so … unbehaglich?
Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten. Und der digitale Doppelgänger wirft einen ziemlich langen. Die Vorstellung, dass ein Klon von uns etwas „fast genauso gut“ macht wie wir, kratzt an unserem Ego. Ist das noch authentisch? Was passiert, wenn unser Avatar Dinge sagt, die wir nie über unsere Lippen bringen würden? Oder er sagt Dinge, die 100 mal besser, prägnanter, relevanter, interessanter sind als das, was wir uns aus unseren Hirnwindungen mühsam raus denken müssen?
Da ist diese diffuse große Angst: Wie weit geht das? Werden Avatare uns eines Tages ersetzen? Werden unsere einzigartigen Eigenschaften – unsere Fehler, unsere Emotionen, unsere Menschlichkeit – überflüssig, weil die KI sie perfekter und schneller nachahmt? Das ist der Moment, in dem die Faszination ins Gruselige kippt.
Chancen und Gefahren: Der Balanceakt zwischen Innovation und Ethik
Die Vorteile liegen auf der Hand: Unternehmen können effizienter arbeiten, Bildung wird zugänglicher, und kreative Inhalte können in ungeahnter Geschwindigkeit produziert werden. KI-Avatare sind ein Werkzeug – und wie jedes Werkzeug kommt es darauf an, wie wir es nutzen.
Doch die Gefahren sind real. Manipulation, Fake News, Identitätsdiebstahl – die Liste ist lang. Was passiert, wenn jemand meinen Avatar übernimmt und Worte in meinen Mund legt, die ich nie gesagt habe? Wie schützen wir unsere Authentizität in einer Welt, in der selbst unsere „echten“ Gesichter digital produziert werden können? Es gibt von den meisten von uns schließlich Video- und Foto-Material im Internet, frei zugänglich. Und nicht mehr als das brauchen wir, um einen Avatar von uns zu erstellen. Jede:r könnte also von jeder und jedem einen Avatar erstellen, wenn er Zugriff auf Videomaterial hat (easy, oder?) und den Avatar dann mit den gewünschten Botschaften und Anweisungen füttern. Einfach mal sacken lassen und schon entspinnen sich recht gruselige Szenarien. Schöne, neue Welt. Das kann ja wirklich noch heiter werden.
Eine Frage der Haltung: Wie gehen wir mit dieser Technologie um?
Ich glaube fest daran, dass jede Technologie so gut ist wie die Intentionen der Menschen, die sie nutzen. KI-Avatare bieten uns die Chance, neue Wege zu gehen, unsere Reichweite zu erweitern und Dinge zu tun, die wir nie für möglich gehalten hätten. Aber sie fordern uns auch heraus, eine klare Haltung zu entwickeln: Was wollen wir selbst tun, und was überlassen wir unserem digitalen Zwilling? Und was erlauben wir unserem digital Twin gar nicht? Wo ziehen wir die Grenze zwischen Effizienz und Authentizität? Einmal mehr brauchen wir klare globale Regeln und Gesetze. Auch die Frage, wer von wem Avatare erstellen kann und wer nicht, ist sicher essentiell. Das Recht am eigenen Bild wird gefolgt vom ausschließlichen Recht am eigenen Avatar.
Vom Werkzeug zur Verantwortung
KI-Avatare sind kein Ersatz für das Menschsein, sondern eine Erweiterung. Sie können uns helfen, kreativer und produktiver zu sein, aber sie nehmen uns auch in die Verantwortung, bewusst mit ihnen umzugehen. Es bleibt eine zentrale Frage: Wollen wir, dass unsere Avatare uns überholen oder dazu beitragen, dass wir uns alle noch mehr die Köpfe einschlagen – oder sollen sie uns einfach nur unterstützen?
Ich sehe die Zukunft der KI mit Neugierde und unendlicher Faszination. Aber auch mit kritischem Blick. Und genau diese Mischung aus Faszination und Hinterfragen macht meinen Ansatz als Speakerin und Moderatorin aus. Lassen Sie uns darüber sprechen – ganz analog oder digital, wie es Ihnen lieber ist.
Hintergrund: Synthesia - Ein Blick auf die Technologie hinter den digitalen Klonen
Die Plattform Synthesia, einer der Vorreiter in der KI-Avatar-Technologie, hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Mit über 60.000 Kund:innen weltweit bietet Synthesia die Möglichkeit, eigene Avatare zu erstellen oder vorgefertigte auszuwählen. Der Prozess ist verblüffend einfach: Fünf Minuten (!!!) Videomaterial genügen, um die KI zu trainieren, Ihre Lippenbewegungen und Gesten zu imitieren. Die Ergebnisse sind beeindruckend und zeigen, wie weit die Technologie bereits gekommen ist.
Warum ist das wichtig? KI-Avatare machen Videoproduktionen einfacher, schneller und erschwinglicher. Was früher teure Kameras und aufwendige Drehs mit viel Manpower und Zeit erforderte, gelingt heute mit einem simplen Sprachbefehl. Diese Effizienz öffnet neue Möglichkeiten für Unternehmen, von Schulungen über Marketingvideos bis hin zu Produktpräsentationen.
Synthesia selbst gehört inzwischen zu den wertvollsten KI-Start-ups Europas, mit einer Unternehmensbewertung von 2,1 Milliarden Dollar und einem jährlichen Umsatz von etwa 70 Millionen Dollar. Gegründet wurde das Unternehmen 2017 von Forschern und Entwicklern, darunter Victor Riparbelli und Matthias Nießner von der TU München.
Die Technologie ist zweifellos beeindruckend, aber sie wirft auch ethische Fragen auf. Wie gehen wir mit der Möglichkeit um, Inhalte zu manipulieren? Und wie können wir sicherstellen, dass diese Werkzeuge verantwortungsvoll eingesetzt werden? Synthesia möchte diesen Balanceakt zwischen technologischem Fortschritt und der Verantwortung, die damit einhergeht, schaffen und positiv gestalten. Hoffen wir also sehr, dass Synthesia und andere Firmen dieser Art sich für die blaue Seite der Macht entscheidet.
Über die Autorin:
Henriette Frädrich ist Keynote-Speakerin, Moderatorin und Storytelling-Profi. Mit Energie, Humor und Tiefgang nimmt sie ihre Zuhörer:innen mit auf eine Reise durch Themen, die bewegen: von Veränderung und Resilienz über Motivation, Innovation und künstliche Intelligenz bis hin zu Kommunikation und Leadership.
Ihre Mission? Komplexes einfach machen, Köpfe öffnen und Herzen berühren. Ob auf großen Bühnen oder in interaktiven Workshops – sie kombiniert fundiertes Wissen mit emotionalem Storytelling und schafft so nachhaltige Aha-Momente. Ihre Vorträge sind mitreißende Erlebnisse, die inspirieren und Mut machen, den nächsten Schritt zu gehen.