Vor kurzem spülte mein Instagram-Algorithmus diesen Post in meine Timeline:
Mich hat das sofort „getroffen“. Mitten ins Herz. Und wie. Denn die maßgebliche Urheberin dieses Posts, Shelly Robinson, drückt aus, bringt ans Licht und packt in Worte, was ich bisher zwar immer irgendwie fühlte, diffus wahrnahm, aber nie zu greifen bekam, ausdrücken und artikulieren konnte.
Wir bekommen das Elternsein nicht beigebracht und gelehrt. Wir bekommen Beziehung nicht beigebracht und gelehrt. Wir bekommen es zwar von unseren eigenen Eltern vorgelebt, orientieren uns daran, aber auch unsere Eltern haben es nie wirklich beigebracht bekommen. Weder Eltern zu sein, noch wie man eine Beziehung - richtig - führt. Und deren Eltern auch nicht. Und deren Eltern auch nicht. Und so weiter bis Stunde null.
Wir alle stolpern seit Anbeginn unserer Tage doch einfach nur durchs Leben, durch unsere Aufgaben, durch unsere Beziehungen. Und wenn wir ganz ehrlich sind: Mehr schlecht als recht. Denn wir tragen alle unsere Päckchen und Pakete mit uns rum, geben sie unbewusst weiter und laden unseren Mist am liebsten und oft gerade bei denen ab, die wir doch eigentlich am meisten lieben.
Ja, manche von uns lesen Bücher, gehen zu Seminaren oder in eine Therapie oder zum Coaching, um sich selbst besser zu verstehen, kennen zu lernen und bewusst bessere Entscheidungen zu treffen und besser zu handeln. Um bessere Eltern zu sein. Um bessere Partner:innen zu sein. Aber ich glaube, dass die wenigstens dies wirklich als Aufgabe begreifen, hier ein Leben lang bewusst daran zu arbeiten und aktiv zu gestalten.
Mein 12jähriger Sohn fragte mich neulich, als ich auf eine Situation etwas zu pampig, etwas zu harsch und etwas zu genervt reagierte: „Warum motzt du gleich so rum? Du hättest doch einfach nur „nein“ sagen können, und gut wäre gewesen.“ Ich habe mich dann leise murmelnd und halbherzig bei ihm dafür entschuldigt und gelobte, es zumindest zu versuchen, es beim nächsten Mal besser zu machen und sachlicher und neutraler zu reagieren.
Warum war und bin ich denn regelmässig so entsetzlich genervt?
Und dann dachte ich viel darüber nach. Warum war und bin ich denn regelmässig so entsetzlich genervt? „Spür mal nach, spür mal rein“, höre ich in meinem Kopf die Stimme meiner Therapeutin.
Weil ich restlos überfordert bin. Von der Welt. Meinen Verantwortungen. Meinen Aufgaben. Meinem Alltag. Meinen Gefühlen. Meinen Sorgen. Meinen Ängsten. Von all dem Struggle. Vom Hin- und Herrennen zwischen einfach gefühlt irgendwie allem. Vom Rechnungen bezahlen müssen (und wenn du die eine bezahlt hast, flattern schon die nächsten acht ins Haus, das ist eine nicht mehr zu bändigende und zu kontrollierende Hydra, immer neue Köpfe wachsen nach, sobald du einen abgeschlagen hast, an der ich mich gefühlt bis zur Erschöpfung abkämpfe, jeden Monat aufs Neue).
Überfordert davon, so viele Fragen aber so wenige Antworten zu haben. Belastet von den eigenen Lebens-Päckchen, -Paketen und -Rucksäcken. Und der Aufgabe, diese Stück für Stück zu leeren, abzulegen und loszulassen. Überfordert von den eigenen Ansprüchen an ein grandios geführtes und zu lebendes Leben mit Sinn und Beauty und Grandessa, mit Fun und Leichtigkeit und Erfolg und Erfüllung in Sachen Karriere, Freundschaften, Beziehungen, Familie, Liebe und Elternschaft.
Überfordert davon, mit all den Aufgaben und Verantwortungen für eine kleine Familie einfach nicht hinterher zu kommen und diese nicht bewältigen zu können. Überfordert davon, keine klaren Linien zu haben, wo man gern welche hätte. Überfordert davon, alles für sich selbst herausfinden zu müssen. Denn nein, es gibt keinen One-fits-all-Masterplan. (Auch wenn uns das gern immer wieder und überall verkauft wird). Überfordert vom jeden Tag aufs neue den selben Steinklumpen (mit all seinen täglichen ToDo´s und Struggles) den selben Berg hoch zu schieben. Und täglich grüßt das Murmeltier. Überfordert davon, halt Mensch zu sein. Perfekt unperfekt. Permantes Trial-and-Error.
Während man sich am eigenen Leben abarbeitet, ist man auch noch für das Leben eines kleinen Menschen zu 100% verantwortlich.
Und dann hast du da halt noch ein Kind. Einen kleinen Menschen, für den du trotz all deiner Struggles und Fehler einfach alles bist. Für den du der Leuchtturm bist. Auch wenn das Licht mal flackert. Oder nicht ganz so hell scheint. Oder einfach mal einen Knick in der Leuchtoptik hat und völlig verpeilte, irreführende Strahlen aussendet. Der sich an dir orientiert, unbewusst. Der sieht, wie du dein Leben gestaltest, wie du deine Aufgaben angehst und bewältigst, wie du deine Beziehungen lebst, wie du deine Probleme und Herausforderungen löst. Oder verdrängst. Oder wegläufst. Und dem du so viel wie möglich mitgeben, beibringen, zeigen musst.
Den du „erziehen“ musst. Und vielleicht ist all das auch deshalb so anstrengend. Jeden Tag jemanden immer „ziehen“ zu müssen, geht an die Substanz. Eltern wissen, was ich meine. Warum heisst es nicht „Er-flow-ung“ oder „Er-ichfließmalundmacheinfachmalmit-ung“? Vor allem wenn man dabei ist, sich nach wie vor und immer noch irgendwie selbst zu erziehen.
Den du bei seinem ganz eigenen Wachstum und seiner Entwicklung begleiten darfst. Dabei bist du selbst noch mitten drin, und wahrscheinlich hört das mit der eigenen Entwicklung und dem eigenen Lernen und dem eigenen Wachstum auch nie auf.
Und genau das ist es, was, wie ich finde, die größte Herausforderung beim Elternsein ist. Man muss und will sich selbst managen und organisieren, sein ganzes Leben, seine Gefühle, seine Entscheidungen, sein Verhalten, sein Handeln. Und allein das ist eine krasse Aufgabe. Und während man sich am eigenen Leben abarbeitet, ist man auch noch für das Leben eines kleinen Menschen zu 100% verantwortlich. Und will es halt einfach nicht verkacken.
„One of the hardest parts of parenting that caught me off guard wasn't the tantrums or long nights. It was the stark realization that I needed to reparent myself, had to learn to manage my own tantrums and that I was going to make so many mistakes along the way. Growing up alongside my kids has been the most humbling and transformative work I'll ever do.“
Ja, ich stelle mich dieser Aufgabe. Jeden Tag. Ja, ich verkacke es, immer wieder. But at least I try. Und ich gebe das Beste - welches jeden Tag variiert - was ich jeden Tag geben kann.
Foto: Mareike Meier