Alles, was wir machen, ist ein Angebot - und die Welt darf frei entscheiden, ob sie es annehmen möchte

„Alles, was ich mache, ist ein Angebot. Ein Angebot an die Welt. Und der Welt steht es frei, es anzunehmen. Seitdem ich mich von der Erwartung befreit habe, dass die Welt auf meine Angebote gewartet hat und sie annehmen muss, bin ich viel freier und gelassener.“

Als Oprah Winfrey im Interview im Podcast „We can do hard things“ davon erzählt, wie auch sie, eine der reichsten, erfolgreichsten und bekanntesten Unternehmerinnen der Welt immer wieder mit Zurückweisungen struggelt, und wie sie für sich einen Umgang damit gefunden hat, bleibt die Sache mit dem „Angebot“ bei mir hängen. Ich denke viel darüber nach.

Oprah Winfrey teilt diese Erkenntnis u.a. anhand ihrer Erfahrung, die sie im Rahmen ihrer Charity-Arbeit immer wieder macht. Oprah Winfrey nutzt z.B. einen Teil ihres Vermögens, um Mädchen in Afrika einen besseren Start ins Leben zu ermöglichen. Sie baut Schulen, sorgt für Bildung und ein Programm, das den Mädchen ermöglicht, zu lernen und eine gute Ausbildung zu bekommen, damit sie dann selbständig und frei ihr Leben in die Hand nehmen und gestalten können. Viele der Mädchen nutzen diese Chance. Andere nicht. Oprah erzählt, wie sie sich lange daran abgearbeitet hat, auch den Mädchen unbedingt helfen zu wollen, die zwar an ihrem Programm teilnehmen, aber dennoch keine Ambitionen zeigten, irgendetwas an ihrem bisherigen Leben ändern zu wollen. Oder es auch einfach nicht konnten, aus welchen Gründen auch immer. Oprah nahm das persönlich. Die Mädchen müssen doch was aus sich machen! Sie müssen doch mein einmaliges Programm und all die Mögklichkeiten, die ich ihnen biete, ein besseres Leben zu führen, nutzen! Oprah half gerade diesen Mädchen besonders, strengte sich noch mehr an, bot noch mehr Hilfe und Unterstützung an. Natürlich auch mit dem Willen und dem Ziel, diesen Mädchen wirklich helfen zu wollen. Umso frustrierter und resignierter war sie, wenn auch das nicht zu dem gewünschten Ergebnis führte. Manche Mädchen wollten oder konnten eben nicht. Oprah nahm sich das sehr zu Herzen, zweifelte an ihrer Arbeit,  an ihrem Engagement, wurde immer verbissener.

Bis sie eben nicht nur erkannte, dass man nicht jeden Menschen „retten“ kann, dass man auch nicht jedem Menschen helfen kann. Weil so viel Hilfe man eben auch anbietet, der größte Teil eines Veränderungsprozesses und der Wille dazu muss immer von jedem Mensch selbst kommen. Man kann Menschen eben nicht durchs Leben tragen. Und jeder trifft seine eigenen Entscheidungen, die ganz oft nicht immer mit dem kongruent sind, was wir für richtig und wichtig erachten. Und Oprah erkannte eben auch:

„Alles, was ich mache, ist ein Angebot. Ein Angebot an die Welt. Und der Welt steht es frei, es anzunehmen. Seitdem ich mich von der Erwartung befreit habe, dass die Welt auf meine Angebote gewartet hat und sie annehmen muss, bin ich viel freier und gelassener.“

Die Mädchen können Oprahs Angebot annehmen. Und etwas daraus machen. Und wenn es „nur“ zehn von 50 Mädchen dabei hilft, ein besseres Leben zu führen, ist schon unglaublich viel Tolles und Gutes erreicht. Und die anderen sind frei, das Angebot auch nicht annehmen zu dürfen. Jedem steht es frei, ein Angebot auch einfach abzulehnen, nicht zu nutzen, es auszuschlagen.

Seitdem ich Oprahs Interview (das ganze Interview ist großartig und absolute Hörempfehlung) gehört habe, hat sich vor allem diese Angebotssache tief in mir verankert. Denn sie lässt sich auf so vieles in unserem Leben übertragen.

Wie oft sind wir frustriert und resigniert, wenn wir zurück gewiesen werden?

Denn wie oft sind wir frustriert und resigniert, wenn wir zurück gewiesen werden? In welchem Bereich auch immer. Wir bieten einen Rat und Hilfe einer Freundin in Krisenzeiten an, und sie verheddert sich dennoch immer weiter in ihrem Chaos. Wir bieten unserem Kind so viele Ideen und Unterstützung an, was es alles in seiner Freizeit statt daddeln und zocken noch tolles machen könnte, aber es hat einfach keinen Bock und null Interesse. Wir sind der Meinung, dass Mama unbedingt dieses eine Buch lesen muss, weil es ihr in ihrer Lebenssituation voll helfen würde, schenken es ihr, aber es liegt bis heute ungelesen in ihrem Regal. Der Partner, dessen Alkoholkonsum viel zu oft viel zu viel ist, man es immer wieder zum Thema macht, darüber redet, Hilfe anbietet – und sich trotzdem nichts ändert. Und und und.

Ich zum Beispiel schreibe gern und veröffentliche meine Texte als Blogartikel auf meiner Website und Posts bei Instagram. Und auch wenn ich schreiben MUSS, weil es ein innerer Drang und Antrieb ist, über Dinge, die mich beschäftigen, nachzudenken und das dann alles „zu Papier“ zu bringen, es also damit - eigentlich - völlig losgelöst von einem Publikum und seiner Reaktion ist, bin ich natürlich geknickt, wenn das, was ich fabriziert habe und dann veröffentliche, kaum wahr genommen wird. Umso mehr freue ich mich, wenn meine Texte, Gedanken und Posts ihr Publikum finden. Sie zum Nachdenken anregen, sie andere bewegen, berühren und inspirieren. Und so läuft jede Veröffentlichung Gefahr, ein Rohrkrepierer zu werden. Ich mache trotzdem weiter. Immer weiter. Auch wenn ich mich nicht gänzlich davon befreien kann, dass es autsch macht, wenn meine Angebote einfach nicht angenommen werden. Warum auch immer.

Was mir beim Weitermachen hilft, ist Trotz. Was mir z.B. hilft, ist, mir bewusst zu machen, dass der Instagram-Algorithmus wie Lottospielen ist und wir es einfach nicht steuern, beeinflussen und kontrollieren können, was und wie und wo und wann ausgespielt wird und sich das eh alle drei Tage ändert. Ich weiß, Instagram-und Online-Marketing-Expert:innen sehen das natürlich ganz anders und behaupten, den Algorithmus gezielt reiten zu können. Aber das wage ich immer mehr zu bezweifeln. Auch aus eigener - wenig guter - Erfahrung mit solcher „Expertise“. Das ganze also lieber als ein Spiel betrachten. Ich bin keine Influencerin und muss mit meiner Online-Präsenz und meinem Content (Content, Baby!) kein Geld verdienen, zum Glück. Ich mache das zum Vergnügen und als Spiel- und Ausprobier- und Experimentierwiese. Der Instagram-Algorithmus kann mich also mal kreuzweise. Ich bedanke mich aber dennoch bei ihm ganz herzlich, wenn er einen meiner Posts gut ausgespielt hat und es - für meine Verhältnisse - viel Publikum erreicht hat. Und ich sage ihm aber auch „Boah, f…k dich“, wenn er mal wieder der Meinung war, sich wie ein Türsteher aufzuspielen und meine Veröffentlichungen einfach regelrecht zu blockieren und zu sabotieren. Es ist in der Tat ein Rätsel, meine Posts sind alle ähnlich, Bilder, Text, ausführliche Caption - und manche erreichen 1000fach Accounts, andere keine 100. Faszinierend. Mysteriös. Nie vorhersehbar. Und immer amüsant. Es ist wirklich wie Pferderennen. Manche Pferdchen verkacken. Und manche galoppieren rigoros und grandios.

Die meisten Problemchen kreiern wir doch nur allein deshalb: Weil wir denken, wir sind der Nabel der Welt

Was mir zum anderen immer mehr hilft, ist in der Tat Oprahs „Angebots-Haltung“. Das, was ich mache, schreibe, tue - auch beruflich - ist einfach ein Angebot. Und der Welt steht es frei, es anzunehmen. Genauso wie es der Welt frei steht, es ignorieren und für sich entscheiden zu dürfen: Nö, das interessiert mich nicht. Nö, das spricht mich nicht an. Nö, das gefällt mir nicht. Ich bin mit dem was und wie ich bin, mit allem, was ich mache und tue und fabriziere und produziere eben einfach nicht der Nabel der Welt. Außer für mich selbst. Niemand ist der Nabel der Welt für auch nur irgendwen. Und ich glaube, die meisten Probleme und Problemchen kreiern wir nur allein deshalb: Weil wir denken, wir sind der Nabel der Welt und die ganze Welt müsse sich - permanent und immer - allein um uns drehen.

Übertragen wir das alles mal aufs Leben: Wie oft kämpfen wir um etwas? Und wie sehr kämpfen wir? Wie sehr strengen wir uns an, für Lob, für Liebe, dafür, Gesehen zu werden, für Erfolg, für Bestätigung? Und vielleicht wird das alles viel weniger anstrengend, wenn wir uns selbst immer wieder klar machen: Ey Leben, ich biete dir hier halt einfach mal was an. Mich, mit all meinen Macken, Struggles, Fehlern, mit all meinen Fähigkeiten, Talenten, Qualitäten und Wunderbarigkeiten. Mit all meinen Widersprüchen und Irrtümern. Und ich versuche wirklich, das Beste aus all dem zu machen. Und ich biete mich dir an. Und manchmal macht das Leben und die Welt daraus was. Und manchmal eben auch nicht. Und das ist okay. Trotzdem weitermachen. Trotzdem weiter alles mögliche anbieten.

Und sind Beziehungen nicht am Ende auch einfach nur ein Angebot? Das Angebot sein Leben mit einem anderen Menschen zu teilen? Und steht es nicht jedem Menschen frei zu entscheiden, es anzunehmen? Oder eben nicht? Vielleicht sollten wir öfter einfach mal in Zeiten von Liebesstruggles fragen: Hey, Typ, ich biete dir echt einen heißen Ritt durchs Leben mit mir an. Biste dabei? Und wenn Typ da rumdruckst, tja, hatta Pech. Oder? Und nicht nur das, er darf den Ritt auch ausschlagen. Sein vollstes, gutes Recht.


Andersrum genauso: Auch wir dürfen Angebote ablehnen. Und das ist gar nicht so einfach.

Das Gleiche gilt übrigens auch andersrum. Wenn uns jemand etwas anbietet, dürfen auch wir ganz frei entscheiden, ob uns das Angebot zusagt und wir es annehmen möchten. Das ist übrigens gar nicht so einfach. Hier kommt das berühmte „Nein-Sagen“ ins Spiel. Mit dem die meisten sich unglaublich schwer tun.

Ich habe meiner Mutter z.B. ein Geburtstagsgeschenk gemacht. Und erst fast zwei Monate später rückt sie drucksend damit raus, dass sie damit gar nichts anfangen kann. Es war ihr total unangenehm und ich konnte durchs Telefon ihr schlechtes Gewissen kriechen hören und fühlen. Sie wollte nicht unhöflich sein, mich nicht verletzen in meiner Mühe, ihr eine Freude zu machen, mich nicht enttäuschen usw. Ich fand das aber total cool und mutig, dass sie sich überwunden hat, das anzusprechen. Denn so konnten wir das Ding sogar noch zurückschicken, ich bekam mein Geld zurück, Mama musste kein unnützes Zeug bei sich in der Wohnung horten und es irgendwann als Müll entsorgen, sich permanent ob der Nicht-Gebrauchigkeit winden müssen und letztendlich war Mama dann total erleichtert. Und ich fand das überhaupt nicht schlimm. Im Gegenteil. Ich fand das gut. Wir müssen nicht nur lernen, auszudrücken, was wir wollen, sondern auch, was wir nicht wollen. Auch schenken ist immer ein Angebot. Und manchmal passt es. Und manchmal liegt man auch einfach voll daneben. So what?

Auch beim Netzwerken ist es ähnlich. Letztens habe ich eine junge Frau kennen gelernt, wir kamen ins Gespräch, und sie sagte noch im Gespräch, sie müsse mich unbedingt mit einer Bekannten vernetzen. Und natürlich sage ich dann immer erst mal: Ja, klar, gerne. Ohne zu fragen, warum denn eigentlich. Und dann kam einen Tag später auch schon eine Nachricht der Bekannten. Und ich war total ratlos mit der „Hey, hab von Andrea von dir gehört, wir sollten uns mal austauschen, lass mal einen Termin machen“-Nachricht von der fremden Frau. Ich finde „Hey, lass einfach mal quatschen-Dates“ mit fremden Menschen sowieso wenig sinnvoll. Habe ich früher zu oft gemacht, auch u.a. deshalb, weil ich einfach nicht „nein danke“ sagen konnte, wenn jemand mit so einem Vorschlag auf mich zukam, irgendwas von mir wollte, und nie klar war, wohin das Ganze eigentlich führen soll. Und so habe ich dann viel zu viel Zeit in Cafés mit zähen, oberflächlich-netten Gesprächen mit wenig inspiriertem „Und was machst du so?“- und noch weniger überzeugendem „Lass mal was zusammen machen!“-Gelaber verbracht. Auch wenn ich nach so einem Blind-Networking-Date fast immer das schale Gefühl von „häh?!“ hatte, redete ich mir das immer schön: Denn hey, man muss doch Netzwerken! Und man weiß ja nie, wofür so ein neuer Kontakt mal irgendwann gut sein könnte! Fear of missing out at it´s best. Man will ja alles richtig machen. Be nice, be kind, be open.

Ich schaute mir das Instagram-Profil der Bekannten an, schaute kurz auf ihrer Website vorbei - und stellte fest, dass mich ihr Angebot wirklich auf so vielen Ebenen gar nicht ansprach. Und ich auch wenig Lust verspürte, dann einfach mal so mit ihr zu plaudern. Wozu und warum auch? Und dann fühlte ich mich in der Bredouille. Ich wollte nicht unhöflich sein, nicht arrogant sein. Ich wollte aber auch nicht nicht reagieren, auch irgendwie blöd. Weder der fremden Bekannten gegenüber, noch der jungen Frau gegenüber, die uns vernetzen wollte. Und dann besann ich mich auf Oprahs Worte. Alles ist ein Angebot. Und auch mir steht es frei, Angebote anzunehmen. Oder eben nicht. Aus welchen Gründen auch immer. Und so habe ich beiden Kontakten geschrieben, mich kurz (und wahrscheinlich doch viel zu viel und viel zu lang) erklärt und das freundliche Vernetzungs-Angebot freundlich dankend abgelehnt. Weil es einfach nicht für mich persönlich interessant war. Hatte ich ein schlechtes Gewissen dabei? Ja. War ich stolz, mir selbst treu geblieben zu sein und mich nicht wieder selbst in eine Ich-sage-aus-Höflichkeit-JA-aber-will-eigentlich-gar-nicht-Situation rein manövriert zu haben? Ja. (Bei letzterem hilft übrigens wunderbar das Buch „50 Sätze, die das Leben leichter machen“ von Karin Kuschik)

Alles was wir tun, ist ein Angebot. Ob im beruflichen oder privaten Kontext. Befreien wir uns von unseren egozentrischen Erwartungen und Forderungen, dass die Welt auf unsere Angebote wartet und jedes davon begeistert annimmt. Und, vielleicht sogar noch wichtiger: Befreien wir uns selbst von dem Druck, die Angebote der anderen immer annehmen zu müssen und lernen wir „Nein, danke“ zu sagen.

Auch dieser Text hier ist nur ein Angebot. Von Herzen Danke fürs Annehmen und Lesen.


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