Glimmer statt Trigger: Glücksgluckser im Bauch

Ja, das Bild hier ist kitschig. Absolut völlig unsäglich kitschig. Aber löst es nicht dennoch etwas in uns aus? Ein Gefühl von “awwwwww”? So ein bisschen Kichern im Bauch? Freude? Ein Gefühl von Schokolade und Sonnenschein auf der Zunge und im Bauch?

Es gibt ein brandneues Mode-Wort: "Glimmer". Und dieses brandneue Mode-Wort finde ich richtig super. Denn es ist Gegenteil des über die letzten Jahre inflationär verwendeten und eingesetzten Phänomens des “Triggers”.

Vergessen wir “Trigger” und all die Dinge, die uns aus der Bahn werfen und unsere Nerven zum Zerreißen bringen. Denn Glimmer ist das genaue Gegenteil: Es beschreibt die magischen Momente in unserem Leben, die uns berühren, bewegen und mit Freude erfüllen.

Die Welt scheint voller Trigger und noch mehr Warnungen davor zu sein. Und ja, es ist evolutionsbiologisch durchaus sinnvoll, dass wir uns auf die blöden Dinge fokussieren, achtsam sind, denn es könnte ja Gefahren mit sich bringen. Unser Steinzeit-Hirn will uns genau davor beschützen. Es will, dass uns nichts passiert. Danke, liebes Gehirn.

Aber: Könnten wir unser Gehirn vielleicht auch darauf trainieren, ihm ein Update verpassen und ihm beibringen, nicht immer nur mit der Gefahrenbrille auf alles zu blicken? Wie wäre es, es zu trainieren, ganz bewusst - statt das Doofe und Gefährliche - nach dem Schönen und Guten zu suchen? Die Welt mit der rosaroten Brille scannen? Was ist schön? Was ist gut und schön in genau diesem Moment? Was macht uns zufrieden? Was macht uns glücklich? Was erfüllt uns mit diesen kleinen Glücksglucksern im Bauch?


Glücksgluckser im Bauch


Glimmer, das sind diese kleinen Glücksmomente, die uns zum Strahlen, oder zumindest zum Lächeln bringen. Ein Wort, das für die Freude steht, die wir empfinden, wenn wir einen Regenbogen am Himmel sehen (wenn ich einen sehe, raste ich jedes Mal vor Freude aus und freue mich wie ein kleines Mädchen, und dann geht es ah, und oh und wie schöööööön, bei jedem verdammten Regenbogen, der für mich nach wie vor ein absolutes Faszinosum ist, aus so vielen Gründen - die Farben, das einfach da sein und wieder verschwinden, die Form, die Mythen und Märchen, die sich darum ranken usw.). Wenn uns ein Fremder ein Lächeln schenkt oder wenn wir eine Tasse heißen Kaffee an einem kalten Tag genießen. Glimmer sind die winzigen Glücksfunken, die unser Herz erwärmen und uns daran erinnern, dass das Leben trotz aller Herausforderungen schön sein kann. Und schön ist.

Wie bringen wir “Glimmer” oder “more Glimmer” in unser Leben? Es ist einfach. Bewusst(er) und achtsam(er) sein. Und sich vor allem dafür entscheiden, mehr Freude und mehr Wunder und mehr Schönes sehen und wahrnehmen und entdecken zu WOLLEN. Denn wie oft sind die kleinen Grumpies in uns übermächtig und sabotieren und blockieren uns. Sie wollen motzen. Sie wollen sich doof fühlen. Denn in diesen doofen Gefühlen kann man sich ja auch so unendlich herrlich suhlen. Die kleinen vermeintlich unbedeutenden Dinge im Alltag, die uns so begegnen, (wieder mehr) zu schätzen. Beim Spazierengehen der Hundewelpe, der mit flatternden Öhrchen durch die Wiese hüpft. Und nein, es ist nicht peinlich, vor Entzücken und “Süßwut” ein bisschen auszurasten. Wir haben genau das nämlich in unserer Scheiß-Coolness völlig verlernt: Unserem inneren Glücksglucksen nachzugeben, uns von “awwwwww” und “wie süß” und “wie schön” durchfluten und überrollen zu lassen. Denn genau das ist “Glimmer” auch.

Oder vielleicht ist es in der U-Bahn die Musikerin, die mit Leidenschaft ihre Gitarre spielt und dazu singt und die Menschen um sich herum verzaubert. Das ist auch ein Glimmer-Moment. Also ja, Glimmer ist auch Gänsehaut-Bekommen. Glimmer kann das Rascheln und Rauschen der Blätter sein, wenn wir auf unserem Balkon sitzen oder im Café und einfach mal nur lauschen und gucken. Der blaue Himmel und die knubbeligen Wolken. Das Video von deinem kleinen süßen Baby-Neffen, das dir deine Schwester via WhatsApp schickt. Wenn dein Sohn sich beim Spülmaschinenausräumen das Spaghetti-Sieb als Hut auf den Kopf aufsetzt und dabei schielt. Die frische noch warme Bettwäsche aus dem Trockner holen. Die leckere Kartoffelsuppe, die Mama für dich kocht, dein Lieblingsgericht aus Kindertagen. Glimmer kann so vieles und alles sein.


WIR MÜSSEN NICHT IMMER COOL AS ICE SEin


Ich erinnere mich an meine Teenager-Zeit in den 90er-Jahren. Da gab es, ich glaube es war in der “Bravo”, in der “Girl” oder der “Mädchen”, so Beilagenheftchen. Kleine Kataloge, in denen man Poster bestellen konnte. Es waren diese ultrakitschigen Poster mit traurigen Einhörnern im lila-pinken Sonnenuntergang, diese verliebten wunderschönen Pärchen, umgeben von flammenden Herzen und rotem Himmel und Delfinen. Und Pferden. GENAU DIESE HIER.

“Merkmale der Objekte der Begierde: Die meisten Poster waren (aus heutiger Sicht) derart hässlich, dass sie – aus heutiger Sicht – schon fast wieder gut sind. Paintbrush-Massaker nahe an der Grenze des Erträglichen. Beliebte Sujets: Pferde in allen Variationen, Sonnenuntergänge, halbnackte Männer mit Babys auf dem Arm, sich küssende Traumpaare vor Wasserfällen, Sportwagen, Delfine, Delfine vor Sonnenuntergängen. Im Grossen und Ganzen war die Zielgruppe jung – und weiblich.” (vongestern.com)

Nein, ich habe mir nie solche Poster bestellt. Konnte ich aus mangelndem Taschengeld nicht. Aber hätte ich das Taschengeld gehabt, ich glaube, ich hätte mein Zimmer damit zugepflastert. Denn ich liebte diese Bilder heimlich. Habe mir die Heftchen immer wieder angeschaut, bin in diese absolut surrealen, kitschigen Fantasy-Welten regelrecht eingetaucht und habe mich da hinein gewünscht. In eine Welt, in der es nur Glimmer und Ah und Oh und Love gibt.

Aber Glimmer hört nicht bei den äußeren Eindrücken auf. Glimmer können wir auch in unseren Beziehungen finden. Zum Beispiel, wenn der Lieblingsmensch uns mit einem selbstgekochten Abendessen überrascht. Oder das krakelige selbstgemalte Bild unserer Vierjährigen. Kleinen Gesten der Liebe und Zuneigung sind Glimmer-Momente. Sie durchfluten unser Herz.

Was Glimmer so besonders macht, ist, dass sie überall lauern. Was wir tun müssen? Nichts. Außer, unsere Sinne öffnen und aufmerksam sein. Das Lächeln der Nachbarin im Treppenhaus, das Summen der Bienen im Garten, das Lachen der besten Freundin. Alles Glimmer-Momente, die unser Leben und unseren Alltag heller und glücklicher machen.

In einer Welt, die manchmal trüb und zu viel und zu voll und zu herausfordernd ist, ist Glimmer das Licht am Ende des Tunnels. Es erinnert uns daran, dass es immer etwas gibt, über das wir lächeln können, und dass das Glück oft in den kleinen Dingen des Lebens liegt. Aber das wissen wir natürlich schon alles längst. Ist wirklich nichts Neues. Es ist ein alter Hut. Aber manchmal vergessen wir die alten Hüte. Und müssen uns immer mal wieder daran erinnern.

Und ja: Natürlich dürfen wir kitschige Bilder toll finden.


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