78 (therapeutische) Fragen an den Faschismus

Wenn Faschismus ein Mensch wäre, würde ich mich gern mal mit ihm zusammen setzen, in ein gemütliches Café, bei dampfend heißem Milchkaffee. Es gäbe noch warmen Apfelkuchen, mit Sahne, versteht sich. Und wir hätten ganz viel Zeit zu reden. Und ich würde ihm gern all diese Fragen stellen. Und ich würde mir seine Antworten anhören. Jede einzelne. Wir haben Zeit ohne Ende. Und wir können den ganzen Tag da sitzen, die ganze Nacht durchquatschen, es gäbe Tee-Nachschub, belegte Schnittchen, was zu knabbern, eine warme Kartoffelsuppe. Vielleicht auch mal ein Glas Wein zwischendurch. Und vielleicht würde er am nächsten Morgen müde und erschöpft das Café verlassen, wir würden uns vielleicht umarmen, uns beeinander bedanken, fürs Zuhören, fürs Fragen, fürs Erzählen, fürs Erzählenlassen. Und dann würden sich unsere Wege wieder trennen. Und dann? Ich weiß es nicht.


Lieber Faschismus …


  1. Wie geht es dir gerade?

  2. Was sind die tiefen Wurzeln deiner Überzeugungen, die zu deiner extremen Ideologie geführt haben?

  3. Welche persönlichen Erfahrungen haben dazu beigetragen, dass du dich für diesen Weg entschieden hast?

  4. Kannst du bestimmte Momente in deinem Leben identifizieren, die den Grundstein für deine aktuellen Überzeugungen gelegt haben? Was ist passiert? Was ist dir passiert?

  5. Wie hat die Suche nach Identität und Zugehörigkeit deine Ideologie beeinflusst?

  6. Gab es in deiner Kindheit Ereignisse oder Erfahrungen, die deine jetzige Sicht auf die Welt irgendwie geprägt haben?

  7. Welche Bedürfnisse glaubst du, dass deine Ideologie zu erfüllen versucht? Worum geht es dir denn eigentlich wirklich?

  8. Warum sollen manche Menschen nicht die gleichen Träume haben dürfen wie ich? Oder wie du?

  9. Fühlst du dich von der Welt bedroht und versuchst deshalb, eine Abwehrhaltung einzunehmen? Was bedroht dich?

  10. Wie würdest du deine emotionalen Reaktionen auf Veränderungen oder Unsicherheiten beschreiben?

  11. Gibt es Dinge, die du in deinem Leben vermisst oder nach denen du dich sehnst? Was hast du in deinem Leben nie oder zu wenig bekommen? Was hättest du gebraucht? Von wem?

  12. Bist du glücklich?

  13. Was macht dich glücklich? Was ist Glück für dich?

  14. Warum wollen manche Menschen nicht, dass alle Menschen, egal, woher sie kommen und wer und was und wie sie sind, zusammen leben und lernen und arbeiten dürfen?

  15. Welche Rolle spielt die Angst in deinem täglichen Leben und in deinen Überzeugungen? Wovor hast du Angst? Was bereitet dir Sorgen?

  16. Was hat dir als Kind Angst gemacht?

  17. Warum wollen manche Menschen andere ausschließen?

  18. Glaubst du, dass die Ideologie, der du folgst, dir Sicherheit und Stabilität bietet? Was genau gibt dir darin Sicherheit und Stabilität? Wie definierst du Sicherheit und Stabilität für dich? Und was brauchst du, um dich sicher und geborgen zu fühlen?

  19. Welche Werte aus deiner Vergangenheit haben dazu beigetragen, dass du dich auf diesen Weg begeben hast? Was wurde dir vorgelebt? Was wurde dir erzählt? Oder was hast du vielleicht selbst erlebt oder erleben müssen?

  20. Kannst du die Momente in deiner Geschichte identifizieren, in denen du dich vielleicht verloren oder missverstanden oder einfach nicht geliebt und nicht gesehen gefühlt hast? Was war da los?

  21. Warum sollen manche Menschen nicht die gleichen Möglichkeiten haben wie ich?

  22. Fühlst du dich von der Welt im Stich gelassen und suchst deshalb nach einem scheinbaren „Schutz"? Wovor oder vor was oder vor wem willst du dich beschützen? Und warum? Was willst du beschützen?

  23. Welche Ängste treiben deine Überzeugungen an und wie beeinflussen sie dein tägliches Handeln?

  24. Kannst du Gefühle der Machtlosigkeit oder der Frustration in deinem Leben erkennen? Was ist das für ein Frust?

  25. Bist du wütend oder eher traurig? Auf was oder wen? Und warum? Und wie fühlt sich diese Wut und/oder diese Traurigkeit an? Kannst du sie beschreiben? Und wie geht es dir, wenn du da mal reinfühlst?

  26. Welche Rolle spielt das Bedürfnis nach Kontrolle in deiner Ideologie und in deinem Leben?

  27. Glaubst du, dass deine Ideologie dir hilft, dich vor schmerzhaften Erinnerungen und Erfahrungen zu schützen?

  28. Was sind deine größten Ängste, die dich dazu veranlassen, an dieser Ideologie festzuhalten?

  29. Siehst du dich als Opfer von Umständen, die zu deiner heutigen Einstellung geführt haben? Warum? Was ist passiert?

  30. Welche positiven Aspekte deiner Persönlichkeit möchtest du in den Vordergrund stellen, wenn du dich von dieser Ideologie lösen würdest?

  31. Welche inneren Konflikte empfindest du, wenn es darum geht, diese Ideologie zu hinterfragen?

  32. Welche Beziehungsmuster aus deiner Vergangenheit könnten zu deinem heutigen Verhalten beigetragen haben?

  33. Was würdest du benötigen, um dich sicher genug zu fühlen, um dich von dieser Ideologie zu distanzieren?

  34. Wie würdest du dir wünschen, dass die Menschen auf dich reagieren, wenn du dich öffnen würdest, um eine Veränderung zu initiieren?

  35. Welche Werte und Prinzipien leiten deine Handlungen und Überzeugungen?

  36. Warum glaubst du, dass eine Gesellschaft von Exklusivität und Ausgrenzung profitieren kann? Was hast du davon? Und was hat die Gesellschaft oder ein Land oder die Wirtschaft davon?

  37. Was hast du gegen Vielfalt und Inklusion in einer Gesellschaft? Was macht dir daran Angst? Was stört dich daran?

  38. Warum sind Vielfalt und Inklusion eine Gefahr für dich? Was genau wird denn bedroht? Oder wovon fühlst du dich bedroht?

  39. Warum strebst du nach autoritären Strukturen anstelle von demokratischen Entscheidungsprozessen? Was macht dich daran denn so an?

  40. Welche langfristigen Auswirkungen siehst du in einer Gesellschaft, die von Unterdrückung geprägt ist?

  41. Wie rechtfertigst du die Einschränkung individueller Freiheiten im Namen der "nationalen Einheit“?

  42. Wozu ist „nationale Einheit“ so wichtig für dich? Was versprichst du dir davon?

  43. Woher kommt deine Überzeugung, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturen nicht koexistieren können, ohne dass eine überlegen ist?

  44. Warum glaubst du, dass eine „Menschensorte“ überlegener oder großartiger ist als die andere? Und warum ist dir diese Überzeugung wichtig? Was gibt dir das Gefühl von Überlegenheit?

  45. Glaubst du wirklich, dass Gewalt und Aggression als Mittel zur Durchsetzung von Ideologien gerechtfertigt sind? Warum?

  46. Wie siehst du die Bedeutung von Pressefreiheit und Meinungsfreiheit in einer Gesellschaft?

  47. Welche langfristigen Auswirkungen hat denn eigentlich so eine Politik der Feindseligkeit gegenüber Minderheiten?

  48. Ich will in einer Welt voller Liebe und Solidarität und Gerechtigkeit leben. Warum ist das nicht für alle wichtig?

  49. Warum glaubst du, dass einige Menschen besser sind als andere?

  50. Glaubst du, dass autoritäre Machtstrukturen nachhaltige Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen bieten können? Welche Lösungen wären das denn konkret?

  51. Wie beurteilst du die historischen Konsequenzen vergangener faschistischer Bewegungen? Warum willst du all das wiederholen?

  52. Warum suchst du nach Sündenböcken und schreibst bestimmten Gruppen die Schuld an Problemen zu?

  53. Warum denken manche Menschen, dass sie das Recht haben, anderen zu sagen, was sie tun dürfen?

  54. Wie wichtig ist dir Bildung?

  55. Kann eine Gesellschaft, die auf Angst und Misstrauen basiert, langfristig gedeihen und eine gesunde, glückliche, prosperierende Gesellschaft sein?

  56. Was ist Gerechtigkeit für dich?

  57. Warum magst du Menschen nicht, die anders aussehen oder von woanders kommen?

  58. Ich habe Angst, dass die Welt nicht sicher für alle Menschen ist. Warum gibt es Menschen wie dich, die das nicht ändern wollen?

  59. Warum bevorzugst du eine Politik der Abschottung gegenüber internationaler Zusammenarbeit und Solidarität?

  60. Warum glaubst du, dass eine Gesellschaft ohne Meinungsfreiheit und Pluralität besser funktionieren kann?

  61. Was sind Menschenrechte für dich?

  62. Brauchen wir die Anerkennung der Menschenrechte zur Entwicklung einer prosperierenden Gesellschaft?

  63. Warum siehst du Kritik an deiner Ideologie als Bedrohung an, anstatt als Möglichkeit zur Reflexion?

  64. Wie siehst du die Rolle der Jugend in der Gestaltung der Zukunft einer Gesellschaft?

  65. Kannst du alternative Wege zur Lösung gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Herausforderungen in Betracht ziehen?

  66. Welche Hoffnungen und Ziele hast du für die Zukunft, die auf Zusammenarbeit und Toleranz basieren könnten?

  67. Ich habe Freunde aus vielen Ländern – warum ist das z.B. nicht okay für dich?

  68. Ich will eine Welt, in der alle Menschen sich respektieren. Warum ist das nicht für alle wichtig? Z.B. auch nicht für dich? Was ist überhaupt Respekt für dich?

  69. Warum sollen manche Leute nicht die gleichen Rechte haben wie ich und du?

  70. Wenn wir uns alle gegenseitig unterstützen und helfen können, wir einander wohlgesonnen sind, warum willst du das nicht?

  71. Macht dir Krieg keine Angst?

  72. Ich habe Angst, wenn Menschen anderen Menschen wehtun wollen. Warum wollen sie das? Und warum unterstützt du das?

  73. Warum können wir nicht alle zusammenarbeiten, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen?

  74. Ich liebe es, verschiedene Dinge zu lernen. Warum denkst du, dass einige Dinge für bestimmte Menschen verboten sein sollten?

  75. Ich habe gelernt, dass wir alle einzigartig sind. Warum ist das für dich nicht okay?

  76. Ich will in einer Welt ohne Angst aufwachsen. Warum wollen Menschen wie du, dass Menschen Angst haben?

  77. Warum wollen manche Menschen wie du die Freiheit anderer Menschen einschränken? Was habt ihr davon?

  78. Warum schreckt dich der Blick in die Vergangenheit nicht ab?

Bei der Illustration für diesen Artikel bzw. diese Frageliste habe ich die künstliche Intelligenz um Hilfe gebeten. Und statt des oben beschriebenen Café-Settings hatte ich noch ein anderes Setting im Kopf. Und ich stellte mir Kinder vor, die „dem Faschismus“ Fragen stellen. Und irgendwie war klar, dass dieser „Faschismus“ ein kleines, trauriges Monsterchen sein muss. Midjourney hat meine Vorstellungen dann so umgesetzt.

All graphics by AI, Midjourney.
The prompt was: Children asking questions to a monster, Banksy style


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