Worauf wir klicken, davon bekommen wir mehr

„Ey, du Opfer!“ - möchten uns all die Algorithmen, die mehr und mehr unser Leben, Fühlen, Denken und Handeln bestimmen, zurufen. Was wir bei Zalando, Amazon, Netflix und Co. vorgeschlagen bekommen, bestimmen Algorithmen. Was durch unseren Insta-Feed läuft, bestimmt ein Algorithmus. Diese Algorithmen sollen uns das liefern, was wir mögen. Damit wir möglichst viel Zeit online und auf Insta verbringen (und verplempern) und möglichst viel kaufen und bestellen. Weil wir eben mögen, was wir mögen. Und weil wir eine Welt mögen, die genauso ist, wie wir sie mögen. Tech-Firmen investieren Milliardenbeträge in Forschung und Weiterentwicklung der Algorithmen.

Bisher liefern uns Algorithmen das, was wir vermeintlich kennen und mögen. Sie bestätigen uns in uns selbst. In unseren Ansichten, Bedürfnissen und Meinungen. Sie halten uns in unserer eigenen Bubble gefangen. Eine offene Haltung gegenüber Diversität und Vielfalt kann so nicht wirklich in uns wachsen und gedeihen. Die Algorithmen bestätigen uns, und genau darauf beziehen wir uns dann. Denn unsere Welt ist eben genau so, es ist ein ewig sich spiegelnder Spiegel.

Kurz: Das, worauf wir immer wieder klicken, davon bekommen wir mehr. Immer mehr. Das, wohin wir blicken, dahin lenken wir. Beziehungsweise, dahin werden wir gelenkt.

Wie witzig und spannend wäre unsere „Online-Experience“ eigentlich, wenn man die Algorithmen einfach mal in Urlaub schickt? Wie witzig wären Instagram und Co. ohne Algorithmen? Alles einfach dem Zufall überlassen und wunderschönes, buntes, vielfältiges und überraschendes Chaos kreieren!

Aber woran orientiert sich eigentlich die Algorithmen-Forschung? An unserem Gehirn. Denn auch unser Hirn ist nichts anderes als einfach nur ein Algorithmus. Es folgt Mustern und Gewohnheiten, scannt, vergleicht, gleicht ab, trifft Entscheidungen, oft in Mikrosekunden. Und auch bei unserem Gehirn ist es letztlich ganz einfach: Das, worauf wir „klicken“, davon bekommen wir mehr.

Dahin, wohin unsere Aufmerksamkeit geht, das verstärken wir. Jeder Gedanke erzeugt ein Gefühl. Und wir bekommen immer mehr davon, von den selben Gedanken und den selben Gefühlen. Denn auch unser Gehirn möchte sich am liebsten immer wieder selbst bestätigen. Jeder miese Gedanke erzeugt ein mieses Gefühl. Jeder Zweifel verstärkt Zweifel. Jede gedachte Unsicherheit erzeugt tatsächliche Unsicherheit.

Können wir die Algorithmen austricksen? Und sollten wir das tun?


Das müsste doch eigentlich ganz einfach sein. Denke, tue, sage, fühle doch einfach mal das Gegenteil von dem, was du sonst immer denkst, sagst, tust, fühlst. Und schau, was das macht. Mit dir. Und anderen. Und vor allem: Deinem Hirn. Klicke auf Instagram nicht immer auf die selben lahmen Sprüche und dieselben pastellig-gefilterten Beauty-Pics. Was interessiert dich eigentlich so gar nicht? Was triggert dich? Geh mal dahin. Verwirre Amazon und Netflix mit Büchern und Serien, die du - eigentlich - nie gucken würdest. Schau sie dir trotzdem an. Lies sie trotzdem. Schnappe dir Zeitschriften, die du normalerweise nie lesen würdest. Schmökere mal rein. Quatsche mit Menschen, die du eigentlich uninteressant oder doof findest.

Aber warum sollten wir das tun?

Let´s get out of our bubbles. Springen wir einfach mal in andere Bubbles rein. Nicht nur die Natur braucht Vielfalt. Mittlerweile ist klar, dass Monokulturen natürliche Lebensräume zerstören und niemandem wirklich langfristig dienen. Und genauso ist es in unserem Hirn und in unserem Leben: Monokulturen hinterlassen Brachland, Schutt und Asche. Es kann auf lange Sicht dort nichts (Neues) mehr wachsen und gedeihen. Wir brauchen „das Andere“, neue und überraschende Inspirationen aus Bereichen und zu Themen, die doch eigentlich so gar nicht unsere sind. Wir brauchen Kontraste und Gegenkonzepte und Irritionen, um die Welt und uns selbst in allen erdenklichen Facetten und Möglichkeiten wahrzunehmen. Und sie auch genau so anzunehmen. Und alles auch gleichzeitig immer wieder hinterfragen.


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