Gute Absichten, gute Handlungen, bessere Welt

Am 4. Mai wurde weltweit der „Star-Wars-Day“ gefeiert. Aus dem legendären "may the force be with you" wurde, Schenkelklopfer, "may the fourth be with you". Und wenn man eins mitbekommt, auch als Nicht-Krieg-der-Sterne-Kennerin, dann ist das die Sache mit dem blauen und dem roten Schwert, die Sache mit dem Gut gegen Böse.

Es ist ziemlich leicht, die Welt in rot und blau, gut und böse einzuteilen. Ich behaupte, dass wir jeden Menschen und jedes Unternehmen dieser Welt auf die eine oder andere Seite stellen können. Die einen, angetrieben von guten Absichten. Die anderen von miesen.

Ich beschäftige mich schon länger mit dem Thema „Absicht“. Seit bestimmt zwei Jahren sammele ich Artikel über Menschen oder Unternehmen, die mich faszinieren und denen ein Gedanke zu Grunde liegt: Die Menschen oder Unternehmen, über die geschrieben wird, sind alle von einer bestimmten Absicht getrieben. Mich faszinieren vor allem die, die auf der blauen Seite der Macht stehen, die mit den guten Absichten. Aber warum faszinieren sie mich so? Because … I have a dream.

I have a dream …

Ich möchte in einer Welt leben, in der Menschen und Unternehmen mit guten Absichten handeln. Ich möchte in einer Welt leben, in der Unternehmen mit guten Absichten ihre Produkte verkaufen und Dienstleistungen anbieten. Dienstleistungen und Produkte, die niemandem schaden, weder Mensch noch Tier noch Natur.

Ich möchte in einer Welt leben, in denen Vertrauen, gute Absichten und gute Taten das Maß aller Dinge sind und die alles entscheidenden, unantastbaren Werte. Ich möchte mir sicher sein dürfen, dass ich darauf vertrauen kann, dass alle es gut miteinander meinen. Ich wünsche mir, dass gute Absichten für Menschen und Unternehmen in allem, was sie tun, der Standard sind. Die Norm. Die Normalität. Die Realität. Unser Alltag. Ich finde das ziemlich erstrebenswert. Und verdammt sexy. 

Ach Blondie, träum weiter! Denkt wahrscheinlich jetzt der Großteil von euch. Aber ist das naiv? Ist das zu viel verlangt? Ist das utopisch? Lachhaft? Lächerlich? Dumm?

Ich frage zurück: Warum?

Fassungslos …

Was sind gute Absichten? Und was schlechte? In den letzten Monaten habe ich mich intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt. Und je mehr ich das tue, desto absurder kommt mir die Welt vor, in der wir derzeit leben. 

Je mehr ich das tue, desto fassungsloser bin ich. Fassungslos in Anbetracht der Menschen, Systeme, Theorien und Unternehmen, die von Gier und Rücksichtslosigkeit, Geltungsdrang und Egoismus angetrieben sind, oder kurz gesagt, mit miesen Absichten ihre verwerflichen und fragwürdigen Dinge tun. Unternehmen, die wissentlich unter menschen- und ökologisch-unwürdigen Bedingungen ihre Waren produzieren lassen.   Die wissentlich unfassbare Schäden anrichten. Und Menschen, wie wir, die das alles auch wissen, und den Mist trotzdem kaufen. Menschen, die das steuern und denen es nie um die Sache geht. Sondern einzig und allein um Selbstdarstellung, Show und möglichst viel von deinem Geld in ihren Taschen.

The Fois-Grasing of StartUps

Ein Beispiel aus der roten Ecke, worüber ich vor einigen Tagen im Magazin „brand eins“ gelesen habe, sind sogenannte Foie-Gras-StartUps. 

Foie Gras ist eine französische „Spezialität“. Entenleberwurst. Gewonnen aus Tieren, die keine sechs Monate alt sind und denen einen Monat lang vor der Schlachtung viermal am Tag mit einem Rohr ein Mais-Schweineschmalz-Brei in den Magen gepumpt wird. Die Leber schwillt damit unnatürlich stark an, bis auf das fast siebenfache der natürlichen Form. So entsteht dann die berühmte Leberpastete. Hmmmm. Die Franzosen lieben das so sehr, dass der Tierschutz keine Chance hat, diese qualvolle Methode zu verbieten. Denn Foie Gras ist seit 2005 ein gastronomisches Kulturerbe - und das steht über dem Tierschutz. 

Amerikanische Venture-Capital-Analysten der Firma CB Insights haben in ihrer Studie „The Foie Grasing of StartUps“ dazu Parallelen gezogen. Die Kernfrage: Führen die in StartUps - vor allem aus dem App-Bereich stammend - reingestopften Millionen zu besseren Ergebnissen und langfrisigen Werten? Ihre Antwort: Nein. Und die zweite sehr ernüchterne Antwort: StartUps mit Geld zu überstopfen ist für Gründer und Investoren interessant, logo. Denn ihre Absicht ist in sehr vielen Fällen einzig und allein, eine Illusion von Wachstum zu erzeugen und damit dann später an der Börse fett Kasse zu machen. Worum es diesen Unternehmen und den Investoren dabei jedoch eher selten geht: Das Produkt. Die Kunden. Oder ein Unternehmen mit echten Werten zu schaffen. Beispiele für gehypte, gestopfte Hypergrowth- und Überfinanzierungs-StartUps ohne bleibende Werte oder ein halbwegs logisch nachzuvollziehendes Businessmodell sind ganz aktuell Essens-Lieferdienst-Apps, Supermarkt-Liefer-Apps oder E-Roller-Apps. 

Disruption 

Oder das Business-Buzzword Disruption. Alle wollen „irgendwas mit Disruption machen“. „Move fast and break things!“ - so das Mantra vieler Tech-Unternehmen. Wörtlich übersetzt: Macht schnell und haut viel kaputt. Ziemlich entlarvend. Wie die Zombies rennen wir also durch die Welt: ZERSTÖREN! KAPUTT HAUEN! ENTENSTOPFLEBER! GEIL! Warum um Himmels Willen müssen wir denn immer alles zerstören? 

Schlägt man übrigens im Antonym-Lexikon nach, also was ist das Gegenteil von etwas, findet man bei „Disruption“ u.a. folgende Einträge: Harmony. Peace. Rehabilitation. Erholung. Vereinigung.

Kein Wunder: Opfer von zwei Theorien

Und so ist es auch kein Wunder, dass es den Anschein hat, als verlören immer mehr Menschen den Glauben an das Gute. Aber woran liegt es, dass wir immer das Gefühl haben und davon überzeugt sind, dass die „dunkle Seite der Macht“  sowieso immer gewinnt und sich für das „Gute“ einzusetzen sich auch einfach nicht lohnt? Die Erklärung ist so simpel wie hart zu verkraften: Wir wurden, sorry, verarscht. Wobei, das klingt sehr polemisch und sehr nach „Verschwörungstheorie“. Ich drücke es also anders aus: Wir haben uns geirrt. 

Denn immer mehr Historiker*innen und Wissenschaftler*innen belegen, dass wir in den letzten Jahrhunderten Opfer von zwei mächtigen Theorien wurden: Der Wachstums-Wirtschaftstheorie. Und der Theorie, dass der Mensch ja sowieso schlecht sei. 

Die Theorie des stetigen Wirtschaftswachstums konnte deshalb so erfolgreich sein, weil zum Zeitpunkt ihrer Entstehung im 18. Jahrhundert die Welt noch so groß und leer war, dass man überhaupt nicht darüber nachgedacht hat, dass man die Welt mit dieser Theorie irgendwann verbrauchen könnte. Und genau dieser Faktor des „Weltverbrauchs“ wurde in der Theorie völlig außen vor gelassen. Heute wissen wir es. Und lachen immer noch verächtlich über die Menschen, die sich dafür engagieren, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Paaren wir die Wachstumstheorie mit der Theorie, dass der Mensch ja sowieso schlecht ist, potentiert das wiederum die Wachstumstheorie. Denn - Zitat aus einem Artikel des Autors Niels Boeing aus dem Magazin ZEIT WISSEN- „diese erhob den Egoisten zum wissenschaftlichen Konzept des rationalen Individuums, das alle seine Handlungen darauf hin ausrichtet, ob sie seinen Nutzen maximieren. Der Wettbewerb und die Konkurrenz gelten fortan als Normalzustand des menschlichen Miteinanders.“ 

Und Wettbewerb und Konkurrenz wird befeuert von was … ? Na klar, von dem Glauben, dass sowieso alle um mich herum schlecht sind. Von der Überzeugung, der Mensch sei schlecht und er hätte eh keinen Anstand und keine Moral. Der niederländische Autor und Historiker Rutger Bregman widerlegt das Ganze im Übrigen sehr eindrucksvoll in seinem Buch „Im Grunde gut“. Dort tritt er eine unfassbar beeindruckende Beweisführung dafür an, dass wir  - gut - sind. Angetrieben von guten Absichten. Wir alle wollen ein friedliches, freundliches und kooperatives Miteinander. Das ist unsere Natur. Wer das nicht glauben mag, dem lege ich dieses Buch wirklich ans Herz. 

Dass gute Absichten und "gut sein" als dumm und öde abgestempelt werden, ist ein niederträchtiges Kleinhalte-Instrument, um die gängigen Wirtschaftssysteme, Denkweisen, Machtstrukturen und Konsummodelle nicht zu gefährden. All das ist Legendenbildung. Wollen wir uns diese faulen Märchen wirklich länger erzählen lassen? 

Einige echt blöde Ideen der letzten 200 Jahre, darunter vor allem Thomas Hobbes mit seinem „der Mensch ist dem Menschen sein Wolf“ oder dieses Würstchen namens Macchiavelli - haben den eigentlich guten naturwissenschaftlich-technologischen Fortschritt vom moralischen Fortschritt völlig entkoppelt.

Und als Brandbeschleuniger kommen heute on top noch die „sozialen Medien“ dazu - wo sich Hass, Neid und Verschwörungstheorien ausbreiten wie Krebsgeschwüre. „Das Böse und das Dumme bekommen von uns heute eine unangemessene Aufmerksamkeit.“ schrieb stern-Chefredakteur Florian Gless in seinem Editorial im August 2020. Aufmerksamkeit, die, by the way, natürlich von den Tech-Firmen gewollt und gesteuert ist.  Social Media Apps sind so konstruiert, dass sie uns süchtig machen. Je mehr Zeit wir in einer App oder auf Social Media verbringen, desto besser: Besser für die Firmen. Mehr Daten, mehr Werbung, mehr Money. Und wir als User bekommen auch mehr: Mehr Neid, mehr Hass, mehr verplemperte Zeit, mehr Social-Media-Müll in unseren Hirnen. 

Make gute Absichten great again!

Natürlich ist Wachstum nichts schlechtes. Es gibt gutes Wachstum. Gutes Wachstum zielt auf langfristige Profitablität ab, auf Schaffung von echten Werten. Und im allerbesten Fall realisiert mit guten Werten - nachhaltig, fair, human, freundlich. Die blaue Seite. Die guten Absichten.

Aber: Gängige Erfolgsmodelle, die auf Gier, Profit und Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur beruhen, die von schlechten Absichten befeuert sind, passen nicht mehr ins 21. Jahrhundert. Da haben wir aufs falsche Pferd gesetzt, das uns prompt in die Scheiße geritten hat. Aber das schöne ist: Fehler können wir korrigieren. Denn ja, irren ist menschlich. Wir können es wieder gut machen. Wir können es besser machen.

Let´s praise Care-Arbeit, Bildung, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Diversität, Freundlichkeit und Kooperation. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel, der genau die Menschen und Unternehmen auf den Sockel stellt, die mit diesen guten Absichten agieren. Make gute Absichten great again! 

Feiern wir doch bitte nicht länger die Blender, Schwätzer, Verbrecher und Abzocker und eifern wir ihnen nach, nur weil wir den Glauben daran verloren haben, dass es gar nicht anders geht. Und es auch - noch - zu wenig sichtbare Vorbilder dafür gibt, wie wir erfolgreich und glücklich von guten Absichten angetrieben unser Leben gestalten können. Es gibt genug Menschen und Unternehmen, die all das bereits (vor)leben. Ihnen wird nur noch nicht die verdiente Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegen gebracht. Dabei ist es längst überfällig, ihnen die großen Bühnen zu geben.

In einer Welt, die - noch - von schlechten Absichten profitiert, ist an das Gute zu glauben und dafür anzutreten ein Akt der Rebellion.

Gute Absichten sind geil. Gute Absichten sind verdammt sexy.

Und, nein, das hat alles nichts mit Hippie-Gedöns, Kommunismus (da sind die Absichten sowieso auch fraglich) oder aufopferndem Altruismus (ist nämlich auch nicht gesund) zu tun. Es geht auch nicht darum, dass niemand mehr reich und erfolgreich sein und viel Geld verdienen darf. Im Gegenteil. Scheffelt doch Kohle ohne Ende. Ja, bitte! Aber eben auf der guten Seite der Macht.

Take the blaue Schwert 

Wir haben eine so immense und tiefe Sehnsucht nach dem Guten, nach Fairness und nach Gerechtigkeit. Denn das ist es, was uns Menschen ausmacht. Wir haben so viel Grips. Wir haben so viel Herz. Wir sind als Menschheit zu so vielen wahnsinnigen Dingen in der Lage. Wahnsinnig guten Dingen.

Unsere heutigen Entscheidungen und Absichten bestimmen unser Morgen. Es liegt an uns, das rote Schwert nieder zu legen und uns statt dessen dem blauen Schwert zu verpflichten. Gehen wir auf der guten Seite der Macht durchs Leben. Verteidigen wir diese. Und ziehen wir so viele Menschen wie möglich da rüber. 

Ich bin hoffnungslos hoffnungsvoll davon überzeugt, dass die gute Seite der Macht die alternativlose und 100.000 mal schönere, bessere, sinnvollere und klügere Wahl ist. 

May the force be with you.