Über das Scheitern

UPDATE 22.09.2017: VERKAUFT. Das Portal wurde zum Sofort-Kaufen-Preis via Ebay verkauft. In der Presse auch HIER. Es hat jemand mit wenig Zögern und wenig Angst einfach zugeschlagen. Das Portal geht an eine junge Pharma-Beratungs-Firma, die auch in Sachen Outsourcing unterwegs sind. Die neuen Adoptiv-Eltern sind richtig Feuer und Flamme, freuen sich auf ihr Adoptiv-Kind und darauf, es mit frischem Engagement und Begeisterung zum Wachsen und Gedeihen zu bringen, mehr als dass ich das in den letzten Jahren konnte. Genau solche Adoptiv-Eltern habe ich mir gewünscht. 🌟🌟🌟

Darf, soll, will man über sein eigenes „Scheitern“ schreiben? Das raus posaunen? Mit der Welt teilen? Neee, das macht man doch besser lieber nicht!

Aber warum eigentlich nicht?

Scheitern ist ja das neue Cool, FuckUpNights sind voll in, und yeah, Scheitern ist ja ach so voll sexy. Und jeder erfolgreiche Unternehmer auf der Welt ist schon zig mal gestolpert und durch die Scheiße geritten, bevor eines seiner Vorhaben durch die Decke ging. Sagen alle, liest man überall. Hinfallen, auf die Schnauze fliegen, wieder aufstehen, weiter geht´s. Hm. Wenn man das bei und von ANDEREN liest, ist das ja auch voll cool. Wenn´s dabei aber um einen selber geht, ist das vor allem nur eins: Autsch. Mega-Autsch. 

Denn natürlich will man nur seine Erfolge feiern und zeigen. Aber da, wo man sich mal so richtig schön lang gelegt hat, das am liebsten vertuschen, verheimlichen, untern Teppich kehren. Und ich denke mir: Nö. Raus damit. Wir alle haben schließlich zig Dinge, die unterm Teppich liegen. Klappen wir den Teppich doch einfach mal hoch. Ich gebe zu, ich habe lange damit gehadert. Denn es tut nicht nur weh, sich das selbst einzugestehen, dass Dinge nicht so gelaufen sind, wie man es mal vorhatte, sondern eben auch, das nach außen mit Haltung und Würde zu vertreten. Jeder bildet sich auf deine Story seinen eigenen Reim, jeder hat dazu seine Meinung, sicherlich nicht immer die schönste. Aber das ist am Ende des Tages ja auch nicht mein Problem, ich kann es sowieso nicht kontrollieren, was andere sagen und denken. Und es geht auch gar nicht um die anderen. Und doch haben wir genau davor die meiste Angst, wenn wir ehrlich sind. Was sagen und denken die anderen? Und doch ist genau das nur eins: EGAL. Völlig irrelevant. 
 

Sometimes you win, sometimes you lose. That´s life.


Vor fast 10 Jahren habe ich mich mit meiner Mutter zusammen in ein riesiges Abenteuer gestürzt. Wir haben zusammen die B2B-Plattform www.pharmatching.com gegründet und aufgebaut, eine Matching-Plattform für das Outsourcing in der Pharma & Biotech-Branche weltweit. 

Mit allem, was dazu gehört. Konzept & Design entwickeln. Leute finden, die das für uns umsetzen, designen, programmieren. Investoren finden. Mitarbeiter einstellen. Die richtigen Dienstleister und Partner finden. IT-Kram. Rechts-Kram. GmbH-Gründung. Marketing, Akquise, Vertrieb. Und und und. Entwicklungskosten im 6stelligen Bereich. Maintenance-Kosten jeden Monat (im StartUp-Slang nennt man es "Burn-Rate") im 5stelligen Bereich. Das muss alles erst mal verdient werden. Und keinem Angestellten ist es wirklich so richtig bewusst, was das alles für Gründer, Unternehmer und Chefs bedeutet. Rund um die Uhr alles reingesteckt, was ging. Zeit, Energie, Geld. Ich habe noch mit Wehen einen Tag vor der Geburt meines Sohnes Telefonkonferenzen mit Geschäftspartnern geführt, und saß 2 Tage nach der Geburt schon wieder am Schreibtisch, um Kunden-Tickets im Backend abzuarbeiten. 

Alles mit mal mehr, mal mit weniger Erfolg. Ein Auf und Ab. Jeder Gründer weiß, was ich meine. 

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Wir wollten mit unserer Plattform die schwerfälligen, sauteuren und komplizierten Outsourcing-Prozesse beschleunigen, vereinfachen, günstiger machen - für Auftraggeber und Dienstleister. Auftraggeber finden easy, schnell, unkompliziert und praktisch kostenfrei neue Dienstleister, und Dienstleister generieren schnell, easy und unkompliziert neues Business, neue Aufträge. Win-Win für beide Seiten. 

Was bei MFG.COM großartig funktioniert, auf die Pharmabranche übertragen. Was unsere Vision war, HIER und HIER .
 

Aber: Es hat niemand auf uns gewartet. 


Was wir nicht auf dem Schirm, beziehungsweise womit wir nicht gerechnet hatten, war die Vehemenz, mit der die Pharmabranche partout (bisher) einfach keine neuen Wege bestreiten wollte. Sagen wir mal so: Es hat niemand auf uns gewartet. Ich drücke es mal diplomatisch aus: Die Pharmabranche ist ziemlich konservativ und Innovationen gegenüber nicht gerade aufgeschlossen. Man verwaltet ziemlich gern den Status Quo. „Das machen wir seit Jahren so.“, „Das haben wir noch nie so gemacht“, „Nein, wir wollen nichts neues ausprobieren, es ist alles gut so wie es ist“, „Brauchen wir nicht, wollen wir nicht.“ Wie oft haben wir diese Sätze gehört. Es war und ist zum Verzweifeln. 

Lieber beauftragt man teure Outsourcing-Agenturen, hält sich große Outsourcing-Abteilungen, reist mit großen Budgets von Partnering-Messe zu Partnering-Messe, was alles so unglaublich viel Kohle, Zeit und Energie verschluckt - statt einfach unser Tool zu nutzen, und damit richtig viel Zeit, Geld und Energie zu sparen. Aber offensichtlich geht es der Branche noch zu gut, so dass Zeit und Geld sparen einfach nicht angesagt ist. 

Die User, die unser Portal regelmäßig nutzen, waren und sind immer wieder begeistert und überrascht. Aber es waren zu wenig. Viel zu wenig. Unsere Vision war, das Outsourcing in der Pharmabranche zu revolutionieren. Aber die Pharmabranche wollte (bisher) eben einfach nicht revolutioniert werden. Irgendwo stand mal in einem Artikel, dass die Pharmabranche in allen Belangen 10 Jahre hinterher hinkt. Das ging sogar so weit, dass wir unser Portal so programmieren lassen mussten, dass es noch auf Internet Explorer 6 läuft. Einem völlig veralteten Steinzeit-Browser, der null Sicherheit bietet, den es überall schon längst nicht mehr gab. Außer. Genau. In der Pharmabranche noch völlig selbstverständlich genutzt wurde. Unsere Programmierer haben uns ausgelacht. Die hielten das für völligen Quatsch. „Kein Mensch nutzt noch IE6!“, hieß es immer. Nun, bis sie die Pharmabranche kennen lernten.

Natürlich will ich nicht alles nur auf die „doofe Pharmabranche“ schieben. Auch wir Gründer und Inhaber haben etliches auf dem Zettel, bei dem wir falsche Entscheidungen, falsche oder zu wenig Investitionen getätigt, zu viel oder zu wenig gemacht, die falschen Leute eingestellt, nicht gut genug geführt haben etc etc etc. Vielleicht eben doch nicht alles und nicht genug gegeben haben, trotz 4 Jahre 24-Stunden-Schichten. Es kann an 1000 Gründen gelegen haben, dass die Rakete nicht so abgehoben ist, wie wir uns das mal ausgemalt hatten. Und vielleicht war auch einfach das Timing nicht richtig. Mit dem richtigen Ding zum falschen Zeitpunkt. Whatever. Und vielleicht spielte es auch eine Rolle, dass wir blond waren/sind und naturgegeben Brüste haben, siehe auch HIER


Sind wir gescheitert? Fuck. JA!


Sind wir gescheitert? Fuck JA. Laut Businessplan hätten wir nach 5 Jahren uns ´ne Insel in der Südsee kaufen können. Nun, ich sitze immer noch in Köln und nicht in einer Strandvilla auf Barbados und trinke Cocktails mit Richard Branson. Das war aber auch nie unsere primäre Intention. Wir wollten wirklich eine Firma von Bedeutung für eine ganze Branche werden. Das Google für Pharma, das Alibaba für Pharma-Outsourcing. Sowas halt. Sich einzugestehen, dass aus der Vision nichts wird, schmerzt. Es tut weh aus so unfassbar vielen Gründen. Was ging alles an Kohle dafür drauf, was haben wir (und institutionelle Investoren sowie Support aus der Family) da rein gebuttert. Was haben wir geackert und geschuftet. Achterbahn, jahrelang. Und natürlich macht es auch was mit einem, wenn man mit einem Familien-Mitglied zusammen gründet. Ich habe mit meiner Mama zusammen diese Firma aufgebaut. Und ja, man lernt sich in dieser Konstellation anders kennen. Ach, was soll ich um den heißen Brei rumreden: Es macht deutlich mehr Spaß, wenn eine Firma, die man selbst gründet, eben auch richtig erfolgreich wird. Natürlich kennen wir die Statistiken, nur 5 von 100 StartUps, aus denen wird was. Jaaaa. Schon klar. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass es unglaublich frustrierend ist, wenn die Dinge nicht so laufen, wie du dir das ausgemalt hast. Und dein Baby nicht zu den 5 Siegern gehört. 


Sind wir gescheitert? Fuck. NEIN!


Sind wir gescheitert? Fuck NEIN. Denn auch wenn wir uns die Entwicklung von pharmatching.com wirklich anders gewünscht haben, bereue ich nichts. Die Erfahrungen, die wir in den Jahren 2008 bis zur Auflösung der GmbH 2013/2014 gemacht haben, will ich nicht missen. Ich habe so viel gelernt, so viel erlebt. Ups and Downs. Gelacht, geheult, alles. Ich habe mich in einer Welt getummelt (Pharma & Biotech), in die ich eigentlich gar nicht gehöre, mit der ich nie etwas am Hut hatte. Es hat sich halt so ergeben damals. Und wie so oft, habe ich einfach mal JA gesagt. Klar, machen wir das! Ich hab noch nie eine Firma gegründet, ich hab von Pharma & Biotech keine Ahnung (meine Mutter dafür umso mehr), ich habe von Programmieren und Webdesign und Co keinerlei Ahnung, aber logo, legen wir halt einfach mal los!

Ich habe nächtelang gesessen und selbst unser Lastenheft für die Programmierung geschrieben und skizziert, aus dem alte IT-Hasen dann das Pflichtenheft entwickelt haben. Mit dem sind wir dann losmarschiert, um unsere IT-Partner-Firma zu suchen, die uns das Ding über Jahre programmiert und technisch betreut hat. Ich habe das noch nie vorher gemacht. Sich so ein Portal zu überlegen, mit allem was dazu gehört, wie sehen die Accounts aus, was passiert, wenn User A User B kontaktiert etc, all das habe ich gemacht und mir ausgedacht. Immer im Sparring mit meiner Mutter. Mir rauchte der Kopf, ich hatte Knoten im Hirn. Ich kann das heute immer noch gar nicht glauben, dass das alles aus meinem und unseren Hirn(en) gepurzelt ist. 

Bilder Lastenheft, Entwicklung Pharmatching.com, 2008


Ich fand das geil und cool, unser eigenes StartUp aufzubauen, war und bin unglaublich stolz auf das, was wir geschafft haben. Mit was wir uns alles auseinander gesetzt haben, auseinander setzen mussten!

Es gehört zu mir, es gehört zu uns. Ich bin stolz, die Firma mit meiner Mama gegründet zu haben, diesen Weg gegangen zu sein. Ich bin so dankbar für den unermüdlichen Support, den wir all die Jahre hatten, allen voran Stefan und Sabine. 

Und ich möchte nach wie vor jeden, der eine Idee hat, sich selbständig zu machen oder eine Firma zu gründen, dazu ermuntern und ermutigen. Es ist ein großartiges Abenteuer. Und für mich ist glasklar: Jemals irgendwo je wieder angestellt sein? Nope. 
 

Ich glaube nach wie vor daran. 


Ich liebe pharmatching.com nach wie vor. Ich glaube immer noch daran. Und das „Baby“, mittlerweile fast 9 Jahre alt, existiert auch noch. Es lebt. Seit 3 Jahren betreue ich das Ding allein, habe es nach der GmbH-Auflösung allein übernommen.

Aber: Ich betreue es mittlerweile nur noch halbherzig. Ach, was sage ich, mit null Herz. Ich investiere so gut wie keine Zeit mehr, von vorhandenem Budget ganz zu schweigen. Aber es braucht Zeit und Budget für Marketing, Vertrieb, Akquise, Kundenbetreuung. Auch wenn ich so gut wie nichts für pharmatching.com tue, läuft es dennoch im Prinzip von allein. Jeden Monat Registrierungen, neue Dinge, die eingestellt werden, kleine Umsätze, neue Kunden aus aller Welt. Das könnte ewig so weiter gehen und vor sich hin plätschern. 

Aber für mich ist die Luft raus. Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. Es ist nicht mehr mein Thema, eigentlich schon lange nicht mehr. Ich will andere Dinge tun, und mich voll und ganz darauf konzentrieren und fokussieren. 
 

Online-Plattform zu verkaufen. 


Deshalb möchte ich pharmatching.com verkaufen. Auf Ebay. HIER DAS ANGEBOT. Empörung. Schnappatmung. Whaaaaat?! Aber das macht man doch nicht! Doch. Ja. Why not? Ich will es versuchen. Inspiriert dazu haben mich die Jungs von "King of Gents", die ihre Online-Rasierzeug-Bude ebenfalls auf Ebay versteigert haben. Ich habe diesen Artikel gelesen und fand das richtig cool. 

„Aber such doch nach großen Firmen oder Investoren, die Pharmatching übernehmen wollen!“, höre ich immer wieder. Verdammt, ja, wir haben das versucht. Und es ist so unfassbar viel Aufwand. Zeit und Energie und Kohle, die auch da wieder reingesteckt werden müssen - die ich nicht aufbringen kann und auch nicht mehr aufbringen will. Business-Pläne, Summaries und kluge Papers schreiben, durch die Welt jetten, Meetings mit gelangweilten Business-Futzis und Sesselfurzern, die am Ende des Tages auch nichts entscheiden können und dürfen, von denen jeder noch mehr wissen, nachhaken, alles besser weiß, absichern lassen will. Wir haben das alles schon durch. Nur, um dann doch im letzten Moment, wenn man monatelang daraufhin gearbeitet hat, zu hören: „Och nö, passt grad doch nicht in unser Portfolio.“ Oder „Och nö, doch nicht, ups, wir haben auch gar kein Budget eigentlich.“ Oder „Och nö, ups, gerade wurde unsere eigene Firma mit einer anderen Firma gemerged, und jetzt haben die ganz andere Compliances.“ Und und und. 

Ja, ich weiß, welcome to the reality of the knallharte Business- und StartUp-Alltag, which is not a ponyhof with rainbows and Zuckerwatte everywhere. 

Also, getreu meinem Motto „Das macht man doch nicht“: Einfach mal meine eigene Firma bei Ebay einstellen. Einen Versuch ist es Wert. Mehr als dass es niemand haben will, und ich es doch weiter an der Backe habe, kann ja nicht passieren.

Seit Monaten schwappt das in meinem Kopf rum: Will, kann und darf ich Pharmatching wirklich loslassen? Ja. 
 

Loslassen? JA! Begraben? NEIN!


Aber: Ich will es nicht begraben. Es läuft ja. Und nach wie vor glaube ich an das Konzept. Outsourcing in der globalen Welt ist eines der Mega-Trends und Mega-Topics, siehe auch HIER und HIER. Auch und vor allem in der Pharma-Industrie, in der so viel und fast alles outgesourced wird.

Die geplante Übergabe ist kein gewinnbringender Exit, im Gegenteil. Ich wünsche mir einfach, jemanden zu finden, der das Kind adoptiert, es zum Wachsen und vielleicht doch sogar noch zum Fliegen bringt.

Vielleicht ist das Timing ja jetzt passend. Die Pharmabranche hinkt allen Entwicklungen 10 Jahre her, sagte mal jemand. Es könnte also genau jetzt der ideale Zeitpunkt sein. 

Zum Ebay-Angebot geht es HIER . Wer jemanden kennt, für den das vielleicht interessant sein könnte, darf gern darauf hinweisen, teilen etc. Bei Fragen dazu gern einfach melden. 

Danke. 

Pharmatching.com zu verkaufen. Bei EBAY. 

Pharmatching.com zu verkaufen. Bei EBAY