Plotz´s Prinzip: Was du morgen nicht willst, wirst du auch in sechs Monaten nicht wollen
Das Morgen-Test-Prinzip - oder - Wie Plotz’s Law dir Entscheidungen erleichtert: Was du morgen nicht machen wollen würdest, das wirst du auch nicht in einem halben Jahr tun wollen.
Stell dir vor, du wirst gefragt, ob du in sechs Monaten einen Keynote-Vortrag halten, bei einem Projekt mitarbeiten, deinen Freunden beim Umzug helfen oder eine Einladung zum Abendessen bei entfernten Bekannten annehmen möchtest. Du schaust in deinen Kalender, siehst all die leeren Wochen und denkst: "Klar, warum nicht? Bis dahin ist ja noch Zeit." Willkommen in der Falle von Plotz’s Law.
David Plotz*, Journalist und Meister der pragmatischen Lebensentscheidungen, hat uns mit seinem kleinen, aber feinen “Gesetz” eine ungewöhnliche Perspektive auf Zeit und Prioritäten geschenkt: Wenn du dir nicht vorstellen kannst, eine Entscheidung auch für morgen mit einem klaren Ja zu treffen, solltest du sie auch nicht für die ferne Zukunft zusagen.
Klingt brutal? Ist es aber nicht. Es ist ein Akt der Selbstfürsorge.
Das verlockende "Irgendwann"
Das Problem mit der Zukunft ist nämlich, dass sie immer so schön weit weg erscheint. "In sechs Monaten habe ich sicher mehr Energie." "Bis dahin bin ich bestimmt besser organisiert." Oder mein persönlicher Klassiker: "Im Herbst wird es ruhiger." (Spoiler: Das wird es nie.)
Aber hier ist der Haken: Die Zukunft ist nicht diese glänzende, perfekte Version unseres Lebens. Die Zukunft ist meistens... exakt genauso wie die Gegenwart. Mit denselben Verpflichtungen, derselben Müdigkeit und denselben endlosen To-do-Listen. Warum also denken wir, dass wir dann mit Begeisterung oder zumindest Wohlwollen oder aus Nächstenliebe das tun wollen, wozu wir schon heute keine Lust haben?
Ja, wir können alle in die Zukunft schauen. Denn: Schau dir deine Gegenwart an – und du weißt exakt, wie deine Zukunft aussieht. Es ist ein bißchen “du bist, was du isst”.
Die Macht des ehrlichen Morgens
Plotz’s Law bringt uns zurück ins Hier und Jetzt. Es zwingt uns, Entscheidungen nicht durch die rosa Brille der Zukunft zu betrachten, sondern durch das pragmatische Objektiv des Morgens. Wenn dich die Idee, morgen einen bestimmten Vortrag zu halten, nicht begeistert, dann wird sie dich in sechs Monaten auch nicht begeistern. Und wenn du auch wirklich so gar keine Lust hast, übermorgen für die Kita-Gruppe Kekse zu backen, dann hast du das auch nicht in einem halben Jahr. Das ist keine Frage von "Vielleicht habe ich dann mehr Lust und Zeit." Es ist eine Frage von Ehrlichkeit. Unser Heute ist das Morgen von Morgen.
Nein sagen als Freiheit
Natürlich, ein Nein ist nicht immer leicht. Wir wollen andere nicht enttäuschen. Wir wollen nichts verpassen. Und seien wir ehrlich: Manchmal fühlt sich ein "Ja" auch ein bisschen wie eine Bestätigung unserer Wichtigkeit an. Aber ein Nein ist kein Verlust. Es ist eine Befreiung. Es ist der Raum, den wir schaffen, um zu den Dingen Ja zu sagen, die uns wirklich wichtig sind und auf die wirklich auch Bock haben. Dinge, die uns wirklich Freude bereiten oder uns wachsen lassen.
Bevor du also irgendwas in weiter zeitlicher Ferne zusagst, stelle dir diese eine Frage:
“Wenn das Ganze morgen oder übermorgen, oder meinetwegen auch kommende Woche schon wäre, würde ich dann JA sagen?”
Eine Gratwanderung
Und jetzt kommt auch schon das “Ja, Aber!”: Denn das heißt nicht, dass Plotz’s Law ein Freifahrtschein ist, alles abzusagen, was unbequem oder herausfordernd erscheint. Im Gegenteil: Wachstum passiert oft außerhalb der Komfortzone. Die Kunst liegt darin, zwischen einem authentischen Nein und einem impulsiven Ausweichen vor Herausforderungen zu unterscheiden. Manchmal ist es wichtig, den Mut aufzubringen, etwas zu tun, das kurzfristig unbequem ist, aber langfristig einen positiven Einfluss haben kann. Plotz’s Law erinnert uns daran, ehrlich zu uns selbst zu sein – aber eben auch, diese Ehrlichkeit mit einem Blick für das große Ganze zu kombinieren.
Was bleibt, wenn wir Plotz’s Law folgen?
Das Leben wird überschaubarer. Klarer. Du lädst weniger von diesem diffusen, zähen Zukunftsstress auf deine Schultern. Und schaufelst deinen Kalender nicht zu. Du lässt dir selbst Luft zum Atmen und zum Nichts-Tun. Unsere Kalender brauchen Pausen.
Und – das ist das Beste daran – du wirst besser darin, den Moment zu spüren. Weil du dich nicht ständig in einem endlosen Karussell aus "Was habe ich da bloß zugesagt?" wiederfindest und dich selbst dafür hasst, in welches Schlamassel du dich da mal wieder selbst geritten hast.
Also: Bevor du das nächste Mal eine Entscheidung triffst, stell dir die simple Frage: Würde ich das auch morgen machen wollen? Wenn die Antwort kein klarer Ja-Ruf ist, dann lehne ab. Mit einem freundlichen Lächeln. Und mit dem Wissen, dass du dir selbst gerade das Geschenk des ehrlichen Morgens gemacht hast. Denn: If it´s not a hell yes, it´s a no. Und wenn es schon heute kein Hell-Yes ist, dann wird es das auch nicht in 9 Monaten sein.
*David Plotz entwickelte dieses Prinzip als persönliche Entscheidungshilfe, basierend auf seinen Erfahrungen als Journalist und Vater, um unnötige Verpflichtungen zu vermeiden. Es wird oft als Werkzeug für Minimalismus und Zeitmanagement empfohlen, da es hilft, realistische Prioritäten zu setzen und die eigene Zeit wertzuschätzen.
Über die Autorin:
Henriette Frädrich ist Keynote-Speakerin, Moderatorin und Storytelling-Profi. Mit Energie, Humor und Tiefgang nimmt sie ihre Zuhörer:innen mit auf eine Reise durch Themen, die bewegen: von Veränderung und Resilienz über Motivation, Innovation und künstliche Intelligenz bis hin zu Kommunikation und Leadership.
Ihre Mission? Komplexes einfach machen, Köpfe öffnen und Herzen berühren. Ob auf großen Bühnen oder in interaktiven Workshops – sie kombiniert fundiertes Wissen mit emotionalem Storytelling und schafft so nachhaltige Aha-Momente. Ihre Vorträge sind mitreißende Erlebnisse, die inspirieren und Mut machen, den nächsten Schritt zu gehen.