Henriette Frädrich

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Warum WENIGER jetzt MEHR ist

Der nachfolgende Artikel erschien zuerst auf dem Blog des GEILE USCHI KONGRESS

Wahnsinn, wie schnell die Zeit schon wieder vergeht. War nicht gerade erst Weihnachten und fühlt sich das nicht schon wieder an, als wäre es Jahre her? Die magischen ruhigen und stillen lazy days zwischen den Jahren sind längst Geschichte, und wir alle sind schon wieder mitten drin im Alltag, der auch 2021 ein besonderer ist. 

Ich wünsche euch allen von ganzen Herzen, dass ihr alle eure ganz persönlichen Herausforderungen, die wir alle derzeit haben, meistert, ohne dabei durchzudrehen. Was auch immer gerade auf euch gerade einprasselt, was auch immer ihr gerade anpacken wollt oder managen müsst, vergesst bitte nicht: Wir befinden uns nach wie vor in einem Ausnahmezustand. Und noch immer brauchen wir einen langen Atem, bis wir durch diesen Ausnahmezustandstunnel durchgewandert sind. 

WENIGER IST MEHR

Ich nehme mir derzeit deutlich weniger vor. Ich plane meine Woche immer Sonntags im Voraus. Ich plane jeden Tag. Und ich packe mir immer weniger an ToDo´s für jeden Tag auf die Liste. Ich haushalte mit meiner Zeit und Energie rigoros. Bin ehrlich mit mir: Wie lange brauchst du dafür? Wieviel Energie kostet das? Wie sehr musst du dich dafür konzentrieren? Newsletter-Schreiben ist z.B. dran? Prima, das ist dann aber auch das einzige ToDo für den Tag. Denn ich weiß, das dauert drei bis vier Stunden. Danach allenfalls noch "Kram-ToDo´s", aber keine weiteren High-Focus-Aufgaben mehr. Den Freitag lasse ich komplett frei – denn dort dürfen alle Aufgaben der Woche "überlaufen", die ich doch nicht geschafft habe. Denn neben den geplanten ToDo´s grätschen ja auch immer wieder unvorhergesehene Dinge dazwischen (die man aber, trotz ihrer Unvorhersehbarkeit, einplanen muss) – Angebote für Kunden, die erstellt werden müssen. Mails beantworten. Längere Telefonate. Zeitfressender Ärger mit der IT. Internet geht nicht. Und so weiter. Alles aus der Kategorie  "Leben". Freitag ist also meine Auffangstation für Liegengebliebenes, was ich dann noch abarbeiten kann. Und ich somit am Ende der Woche das Gefühl habe, irgendwie dann doch alles geschafft zu haben, was ich mir vorgenommen habe. 

Ich nehme den Druck aus allem raus. Ja, ich habe eine endlose Liste an Dingen, die ich zu tun habe. Und ich habe so viel Lust auf jedes einzelne meiner Projekte und jede einzelne Aufgabe. Am liebsten will ich alles sofort und gleichzeitig machen. Ich will Vollgas geben. Aber ich merke auch, immer mehr: Eins nach dem anderen. Alles braucht seine Zeit. Und alles braucht Energie. Und genau damit muss ich haushalten. Niemandem ist geholfen, wenn ich meinen Tag zuknalle und am Abend schiele, völlig erschöpft und hysterisch bin. 

DOPPELBELASTUNG HOMESCHOOLING

Ich plane auch ein, wann ich mit Homeschooling dran bin, welches wir unter drei Personen in der Familie aufgeteilt haben. So kann jeder sich auf seine "Lehrer-Schichten" einstellen und weiß aber auch, an welchen Tagen er ungestört arbeiten "darf". 

An Homeschooling-Tagen nehme ich mir keine Business-ToDo´s mehr vor, die viel Zeit, Energie, Fokus und Konzentration von mir verlangen. Denn es ist utopisch zu glauben, ich bekomme in der Zeit, in der mein Sohn (4. Klasse) lernt, auch nur irgendetwas Businessmäßiges gestemmt. Ich bin in dem Moment seine Lehrerin und Sparringspartnerin. Alle fünf Minuten kommt eine Rückfrage. Mami, ich verstehe das nicht. Mami, kannst du mir helfen. 

Im ersten Lockdown im Frühjahr hat mich das irre gemacht. Ich wollte und musste doch so viel Arbeiten. Aber es ging nicht. Ich war gereizt, frustriert, genervt, fies, hysterisch, unausstehlich, ätzend. 

Jetzt ist mein Job an Homeschooling-Tagen eben genau dieser: Lehrerin zu sein. Ich habe mich von dem Druck, nebenbei was anderes zu schaffen, verabschiedet. Und auch von dem Anspruch, dann eben danach noch was zu schaffen. Nein. Nach fünf bis sechs Stunden Homeschooling sind wir beide durch. Muddi und Sohnemann. Fix und fertig. Wenn ich am Nachmittag noch ein paar Mails bearbeitet bekomme, dann ist das eben das, was ich an dem Tag schaffe. Basta. Mehr geht nicht. Und mehr muss auch nicht. 

Ich möchte gern dieses Jahr ein neues Buch schreiben. Aber dafür brauche ich Zeit, Ruhe, Raum. Über Wochen hinweg. Klar möchte ich am liebsten jetzt loslegen. Aber ich habe entschieden: Nein. Das Buch muss warten. Dann geht es eben erst im April damit los oder wann auch immer wieder die lang ersehnte "Normalität" einzieht. Jetzt damit zu beginnen, würde mich nur unnötig stressen und frustrieren. Weil ich niemandem gerecht werden könnte. Nicht mir selbst und meiner Schreibarbeit. Nicht meinem Sohn. 


WAS JETZT WICHTIGER DENN JE IST

Warum ich das schreibe? Vielleicht um dem/der einen oder anderen von euch die "Erlaubnis" zu geben, ebenfalls einen Gang zurück schalten zu dürfen. Denn viele glauben ja, ohje, ein neues Jahr, ich muss doch Vollgas geben! Will so vieles machen und schaffen! Ja, das ist auch toll. Aber wo eine globale Pandemie die Handbremse zieht, während wir Vollgas geben wollen, entsteht am Ende nur eins: Frust. 

Gehen wir runter vom Gas. Fragen wir uns: Welche EINE SACHE schaffe ich heute? Und genau die gehen wir an. Jeden Tag. Und schon in ein paar Wochen werden wir sehen, was wir mit dieser "ONE THING ONLY"-Methode am Ende doch alles geschafft haben. Mit viel weniger Stress, Frust und Ärger. 

Bei aller Ermüdung, aller Erschöpfung, allem Stress, allem Frust, aller Resignation ist eins wichtig, wichtiger denn je: Solidarität. Nachsicht. Rücksicht. Zuversicht. Freundlichkeit. Hilfsbereitschaft. Lachen. Lächeln. Freude. Licht. Anderen gegenüber. Aber vor allem dir und euch selbst gegenüber. 


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