Gibt es wirklich keine (guten) (erfolgreichen) (und nicht genug) Speakerinnen?
Wie holen wir mehr Frauen auf Speaker-Bühnen?
Eine Anstiftung für Kongress- und Event-Veranstalter, (angehende) Speakerinnen, Speaker, Männer und Frauen
Es gibt viel zu wenig gute und erfolgreiche Speakerinnen. Sagt man. Leider ist das kein Klischee und keine Floskel. Es ist frustrierende Realität. Schaut man sich die großen Speaking-Events an, egal, von welchem Veranstalter organisiert, sind Frauen on stage Mangelware. Immer.
Es ist längst überfällig, das zu ändern. Denn wo fast nur Männer sich in Szene setzen, wird ein Bild einer Gesellschaft gezeichnet, die den allerortens propagierten Ansprüchen von Change, Future, Veränderung, Wachstum, Wandel und Innovation nicht ansatzweise gerecht wird.
Warum ist das so? Warum sind Frauen auf den Bühnen der Erfolgskongresse und in den Experten-Panels so unterrepräsentiert? Es gibt dafür 1000 Gründe und sicher genauso viele schale Ausreden. Im Rahmen dieses Textes will ich aber nicht auf all diese Gründe eingehen, sondern möchte konkrete Lösungen für dieses Problem anbieten, Vorschläge und Ideen liefern. Denn ja, es ist ein verdammtes Problem. Ein Problem, dem sich anscheinend niemand bisher mit Chuzpe stellen möchte. Und auch das wird seine Gründe haben.
Status Quo
Wie geht ein Event-Veranstalter normalerweise vor, wenn er sein Event mit Speakern bestückt? Nun, man sucht sich tolle Speaker mit tollen Themen und tollen Keynotes raus. Speaker, die begeistern, die motivieren, die inspirieren. All diese coolen, die Bühne rockenden Kerle gibt es wie Sand am Meer, die Agenturen und Google haben hier genug im Angebot. Und dann stellt man irgendwann erschrocken fest, ups, öhm, büschn männerlastig, wir brauchen ja noch `ne Frau! Und dann checkt man auch hier die Agenturen. Und dann ist die Auswahl schon spärlicher. Deutlich spärlicher. Vielleicht googelt man noch ein bißchen, aber so wahnsinnig überragend und überzeugend sind die Ergebnisse nicht. Und schon an diesem Punkt heißt es dann: Tja, was soll man machen, es gibt nicht genug Speakerinnen.
Und dann greift man auf immer die selben wenigen Damen zurück. Damen, die sich ihren Status durchaus hart erarbeitet haben. Damen, die gut sind. Wirklich gut. Aber die Bandbreite der Themen ist überschaubar. Und auch die Themen, zu denen sich einige der erfolgreichsten Speakerinnen positioniert haben, sind, bei allem Respekt und aller weiblicher Verbundenheit, nun, wie sage ich es, langweilig. Lahm. Die wenigen bekannten und erfolgreichen Speakerinnen reden über Selbstbewusstsein, Kommunikation, Gender-Gedöns, Körpersprache und Rhetorik. Weicher, gefälliger Mädchenkram halt. Ist das wirklich alles, was Frauen zu sagen haben? Nicht falsch verstehen, die Themen sind ok. Nett. Aber, sorry, eben nicht geil. Kein Wunder, dass diese dann im besten Falle in der Männerspeakerwelt lediglich belächelt, erduldet und gnädig beklatscht werden. Kann man machen, tut nicht weh, ham wa halt wenigstens ne Frau auf der Bühne gehabt und waschen unsere Hände in Unschuld.
An die eigene Nase fassen
Ja, es ist Fakt: Es gibt nicht genug Speakerinnen. Und es ist leider auch so, dass es unter den wenigen wenig wirklich gute gibt. Das muss ich, als Frau, leider schmerzlich zugeben. Ich will selbst keine Frauen mehr auf den Bühnen sehen, die mittelmäßige und leider auch manchmal echt grottenschlechte Vorträge zu langweiligen Themen halten, die nur da oben stehen, weil es einfach keine Alternativen gab. Ich bin davon selbst total abgefuckt. Denn es bestätigt nur noch mehr den Glaubenssatz „Tja, siehste, es gibt eben keine guten Speakerinnen“.
Und wenn einige der ohnehin schon wenigen Damen, die es gibt, sich dann auch noch bei Anfragen Allüren leisten, anstrengend und unkooperativ sind, wird es insgesamt noch schwieriger, aus der „Boah-hör-mir-mit-den-Weibern-uff-Schublade“ raus zu kommen.
Da, wo es nicht viele Alternativen gibt, setzt sich das Mittelmaß durch. Mittelmaß gibt es auch bei den männlichen Speakern, keine Frage, aber da es so viele von ihnen gibt, sind die besten und gut gebuchten Speaker eben neidlos anzuerkennen auch die, die es wirklich ganz gut drauf haben.
Ich selber halte Vorträge und unterstütze auch gern hin und wieder Menschen dabei, Keynotes zu erarbeiten. Bin ich eine gefragte, viel gebuchte, bekannte und gute Speakerin? Öhm, nö. Geht so. Leider. Das ist ausbaufähig. Und ich übernehme die volle Verantwortung dafür, dass ich noch nicht da stehe, wo ich vielleicht doch gern stehen würde.
Was ist eigentlich ein guter Vortrag? Chris Anderson, Macher der TED-Talks, bringt es in seinem gleichnamigen Buch auf den Punkt:
"Bei einem Vortrag kommt es einzig und allein darauf an, dass Sie etwas zu sagen haben, und dass Sie es glaubwürdig und auf Ihre ganz eigene Art und Weise vermitteln. Vor allem aber sollten Sie ein Thema wählen, das einen Platz in der Nähe Ihres Herzens hat. Ein guter Vortrag kann das Weltbild des Publikums nachhaltig beeinflussen. Wenn Sie einen Vortrag halten, dann besteht Ihr oberstes Ziel darin, etwas für Sie sehr Bedeutsames in den Köpfen Ihrer Zuhörer neu zu erschaffen. Es geht darum, einen Gedanken, einen Samen, eine Idee in die Köpfe der Zuschauer zu pflanzen. Aber was ist eine Idee? Eine Idee ist alles, was die Sichtweise anderer Menschen verändern kann."
Ein richtig guter Vortrag, einer der großartigsten, die ich seit langem gesehen habe, ist übrigens dieser hier. Von einem Mann. Von Richard de Hoop. Richard hat ein ganz klares Leitmotiv (Wie kann uns Resilienz fit für die Zukunft machen) - und dröselt diesen EINEN Gedanken, diesen Samen, dann Stück für Stück auf und betrachtet ihn aus verschiedenen Perspektiven. Und dabei ist Richard so unglaublich bei sich, sympathisch und erzählt auch seine tieftraurige Geschichte völlig unpathetisch. Aber sie hat damit umso mehr Wirkung. Er ist voll und ganz mit dem Herzen dabei („Meine Narbe wurde geflickt von Liebe und Freundschaft“ - ich hatte nur Gänsehaut) . Und hat dann auch noch zwei überraschende Elemente mit Song und Vorwärts-Rückwärts-Gedicht eingebaut. Ich finde diesen Vortrag einfach WOW. Und genau so müssen, meiner Meinung nach, Vorträge sein, egal zu welchem Thema. Und egal von wem.
Und was habe ich selbst schon für Mistvorträge abgeliefert! Wenn ich heute daran denke, versinke ich noch immer im Boden. Aber: Das haben all die „großen“ männlichen Speaker auch. ALLE. Durch die Bank weg. Und genau das gehört auch dazu. Zu unserer Entwicklung. Einer meiner ersten Speaking-Auftritte war ein echtes Desaster. Ich habe mich damals komplett in ein absurdes Thema verrannt, und meine Performance auf der Bühne geriet zum Spießrutenlauf. Aber auch das gehört dazu. Ausprobieren, erkennen, dass es Vollmist war, reflektieren. Aufstehen. Krone richten. Weiter machen. Besser machen.
Es geht eben auch darum, eigene Ängste zu überwinden und Risiken einzugehen. Indem man sich auf eine Bühne stellt, exponiert man sich selbst und wirft sich immer wieder selbst der Meute zum Fraß vor. Man wird von Blicken, Meinungen und Kommentaren zerfleischt. Während der Speech und erst recht hinterher. Das muss man halt auch einfach erst mal aushalten. Wir müssen Kritik aushalten, wir müssen Meinungen über uns aushalten und einstecken, Anfeindungen. Einmal hat mich nach einem Auftritt eine ältere Frau dermaßen zur Minna gemacht, mich wirklich hart und persönlich attackiert, ich wusste gar nicht, wie mir geschieht. Klar, tat ich in dem Moment cool. Aber wenn ich heute dran denke, schießen mir immer noch die Tränen die Augen. Ich war zutiefst verletzt.
Ist das einfach? Nein. Das ist hart. Kratzt jedes Mal am Ego, egal, wie cool wir tun. Übrigens haben männliche Kollegen genauso damit zu kämpfen. Vielleicht sogar noch mehr. Was habe ich gestandene Speaker-Kollegen aus der Kategorie „Rampensau“ und „richtig harter Kerl“ schon nach Auftritten oder bei kritischen Kommentaren unter ihren Videos rumflennen sehen. Mimimimi vom allerfeinsten.
Und vielleicht ist das oberstes Gebot, nicht nur, wenn du auf Bühnen gehst, sondern generell im Leben: Du kannst es eh nie allen recht machen. Tu immer dein Bestes. Aber dein Bestes ist niemals für alle gut genug. Du eckst an, du polarisierst. Die eine mögen dich, feiern dich, supporten dich. Und die anderen finden dich mal so richtig Scheiße. So ist das eben.
Auf jeden Fall gilt aber immer: Frauen und angehende Speakerinnen, die die großen Bühnen erobern wollen, dürfen und müssen knallhart an sich arbeiten. An ihren Messages, ihrem Wums, ihrer Performance, ihren Themen, ihren Stories, ihrem Auftreten. Gilt aber auch universal. Für mich. Und für männliche Kollegen.
Ich wünsche mir bewegende und inspirierende Geschichten. Von Herzen. Ehrlich. Authentisch. Das wünsche ich mir aber auch sehnlichst von Männern auf der Bühne. Ich kann keine 80er-Jahre Floskeln mit Raupen, die zum Schmetterling werden, mehr hören. Ich will keine Tschakka-du-kannst-alles-erreichen-Kalenderblatt-Plattitüden mehr sehen. Und was sollen überhaupt all diese auf 10 Minuten ausgewalzten, nichtssagenden wie peinliche Herrenwitze vorgetragene Urlaubs-Anekdoten von Teppichhändlern und Co., die einige Speaker auf der Bühne vortragen? Ähm, was wolltest du mir jetzt noch mal damit sagen? Was genau ist die Message? Wobei, hey, Mädchen, das ist Storytelling, verstehste, Storytelling! Oh, ach ja, ich Dummerchen. Oder Geschichten, die rein gar nichts mit dem Speaker zu tun haben, die nur dafür instrumentalisiert werden, Emo-Knöpfe bei den Zuschauern zu drücken, pathetische Kitsch-Scheiße, von armen, mittellosen, schwarzen Frauen erzählend, und dann wird sich einstudiert Demut inszenierend auf den Bühnenboden gesetzt. Es fehlen nur noch die Panflöten im Hintergrund. Und an dieser Stelle frage ich mich dann, wieso werden eigentlich nur in Flugzeugen Kotztüten verteilt?
Die besten Keynote-Speeches gibt es, so meine Meinung, bei TED. Großartige und vielfältige Themen aus allen Themen und Bereichen der Welt, klar strukturiert und auf den Punkt gebracht, emotional, bewegend, unterhaltsam, fesselnd, neu und immer inspirierend. Und das sind alles bei weitem nicht nur professionelle Speaker dort, sondern Unternehmer(innen), Wissenschaftler(innen), Forscher(innen) und Menschen, die einfach so eine bewegende Geschichte erlebt haben und diese mit der Welt teilen. Der Frauenanteil unter den Rednern ist bei TED im übrigen extrem hoch bzw. das ausgewogene Verhältnis zwischen Speakern und Speakerinnen ist völlig selbstverständlich. Es scheint also zu gehen, die Sache mit den Speakerinnen. Und TED verfolgt hier einen simplen Ansatz. Dazu gleich mehr.
Wie und wo finden wir sie denn nun, die (guten) Speakerinnen?
Wenn man auf bekannten Wegen nicht das findet, wonach man sucht, was macht man dann normalerweise? Richtig. Man sucht anders. Man geht andere Wege. Vorausgesetzt natürlich, man meint es ernst mit dem Suchen und der Intention des Findens eines Ergebnisses, bzw. einer Lösung.
„Aber wir denken doch darüber nach, ehrlich!“ höre ich immer wieder von verschiedenen Seiten, wenn mit diesem Missstand konfrontiert. Aber von noblem Nachdenken allein wird die Welt halt nicht verändert.
Frage: Müssen es denn unbedingt „Speakerinnen“ sein? Also Frauen, deren Hauptjob es ist, auf Bühnen zu stehen? Können wir das Pferd nicht anders aufzäumen? Wenn es nicht genug und nicht genug gute Speakerinnen gibt, machen wir doch einfach welche. Holen wir Frauen auf die Bühnen, die keine Speakerinnen sind. Die aber etwas wertvolles und inspirierendes zu sagen haben. Die Sache mit dem Speaking können wir ihnen beibringen.
Wir brauchen nur die vielen Zeitungen, Zeitschriften und Magazine aufzuschlagen, dort sind sie zu Hauf, die Rolemodel-Ladies. Interviews, Porträts und Artikel von, über und mit Frauen aus allen Bereichen und Branchen, zu allen möglichen erdenklichen gesellschaftlich relevanten Themen. In jedem „Spiegel“, in jedem „stern", in jeder „Brigitte“, in jedem „Manager-Magazin“, in der „Emotion“, in der „Cosmopolitan“, im „Handelsblatt“. Überall. Sie sind überall. Uähhh, Zombie-Alarm, rette sich wer kann, die Super-Frauen, sie sind unter uns!
Hier nur einige Beispiele aus den letzten Wochen, und das ist nur aus EINEM Magazin, dem „stern". Gar nicht erst dieses Internet zu erwähnen, in dem sich noch so viel mehr tummeln.
Letztlich ist es nichts weiter als klassische Redaktionsarbeit. Wo sind die guten Geschichten? Augen auf und die Welt nach guten Geschichten abscreenen und sie einfangen.
Die Geschichten sind überall. Jeden Tag. National. International. Nachfolgend nur eine handvoll Ideen und Vorschläge. Ich weiß nicht, ob die Damen auf die Bühne möchten, aber nur an dieser Stelle ein paar genannt, um zu verdeutlichen, wie und wo sich die Stories finden ließen:
Melina Schuh. Erst in einem der letzten “sterns” (28.02.2019) war ein tolles Interview mit ihr. Sie ist 38, hat drei Kinder und ist mit dem vierten schwanger. Sie ist Direktorin am Max Planck Institut, erforscht Eizellen und Fruchtbarkeit und bekommt für ihre bahnbrechenden Erkenntnisse im März den Leibniz-Preis, die wichtigste Auszeichnung für Forscher in Deutschland verliehen. Was für eine beeindruckende Frau! Ich würde so gern von ihr lernen! Sie könnte etwas zu den Themen Fruchtbarkeit, die Debatte wann Leben beginnt, späte Mütter, Social Freezing, Karriere machen an einem Forschungsinstitut und nicht zuletzt Vereinbarkeit von Job & Familie erzählen. Alles Themen, die brisante gesellschaftliche Relevanz haben. Für Männer und für Frauen. MEHR
Manuela Wurm. Sie ist „Listenmacherin" bei Spotify. Was für ein geiler Job, wusstest du, dass es so etwas gibt? Und überhaupt, wie entstehen weltweite Musik-Trends? Und wie sieht Spotify hinter den Kulissen aus? Darüber könnte sie reden. MEHR
Dr. Suzanna Randall und Dr. Insa Thiele-Eich. Das sind die beiden Frauen, die am ESA-Programm „Die Astronautin“ teilnehmen, das die erste deutsche Frau 2020 ins All schicken wird. Verdammt, ich will hierüber einfach alles wissen! Alles, was diese Frauen über dieses Abenteuer zu erzählen hätten, würde mich (und sicher auch alle Männer) stundenlang an den Sessel fesseln! MEHR
Marion Marschalek. Hackerin, Shootingstar der europäischen IT-Szene. Verdammt, ich finde „Hacken“ einfach sexy und cool. Wie entert man ein System? Was passiert dann? Welche macht hat man damit? Welche Verantwortung? Welche Moral? All das will ich wissen! MEHR
Andrea Eck. Vorstand bei „BLG Logistics“ für den Geschäftsbereich Automobile verantwortlich. Sie ist u.a. für die komplexe Digitalisierung des Autoterminals Bremerhaven, einem der größten Autohäfen der Welt, verantwortlich. Wahnsinns-Job, krasse Aufgabe. Sie könnte bei allen Events, wo es um Digitalisierung geht, sprechen. MEHR
Genau solche Frauen will ich sehen, ich will genau diese Geschichten hören. Aus dem echten Leben. Das sind die so dringend benötigten Rolemodels. Die nicht nur mich beeindrucken, sondern auch Männer. Und irgendwann gar nicht mehr darüber nachdenken, huch, das is ja geil, huch, das is ja ´ne Frau!
Ach, es gibt so viele. Influencerinnen, Schauspielerinnen, Sportlerinnen, Wissenschaftlerinnen, Forscherinnen, Philosophinnen, Künstlerinnen, Sängerinnen, Autorinnen, Unternehmerinnen, Chefinnen, Mütter, Krankenschwestern, Pflegerinnen, Erzieherinnen, Omas … Mit so vielen guten, inspirierenden und bewegenden Stories. Man muss nur mal hinsehen, hinhören, nachfragen, sich wahrhaft interessieren.
Man muss nur die Augen aufmachen. Und den Willen haben, sie auf ihrem Weg auf die Bühne zu begleiten und zu unterstützen. Man findet sie wirklich ÜBERALL. Wenn man will.
Extrameilen
Ja, es stimmt, das sind alles keine Speakerinnen. Es sind keine ready-to-go-Pakete. Aber selbst das ließe sich lösen. Man müsste sie aktiv kontaktieren, fragen, ob sie Bock haben, mal ´nen Vortrag zu halten, und dann gemeinsam mit ihnen erarbeiten, was Thema, Story, Message und Leitmotiv des Vortrags sein könnten. Ja, das ist Arbeit. Ja, das kostet. Ja, dafür bräuchte man ein paar mehr Mitarbeiter. Und ja, das bringt kurzfristig keine Kohle. Aber langfristig vielleicht die so dringend benötigte veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung. Und ganz neue Werte und Selbstverständlichkeiten. Müsste man halt nur wollen.
Bei TED z.B. macht man es so, da dort der Großteil der Redner eben auch keine professionellen Speaker sind, dass es ein Team im Hintergrund gibt, das die Redner und Rednerinnen dabei unterstützt, eine richtig geile 20-Minuten-Keynote zu erarbeiten. Man erarbeitet gemeinsam Thema, Leitmotiv, Story, Struktur und Performance. Man unterstützt die Redner dabei, die bestmögliche Version ihrer Geschichte auf die Bühne zu bringen. Das finde ich beeindruckend, bewundernswert, inspirierend und nachahmenswert - und überhaupt: WERTvoll. Im übrigen hat TED auch hier ganz klare Leitlinien. Eine davon: Belästige die Zuhörer nicht mit Upselling. It´s about the story, the idea and the inspiration. Not about your money.
Der hier beschriebene Ansatz gilt natürlich auch, wenn man männliche Kollegen abseits des üblichen Speaker-Einheitsbrei auf die Bühnen holen möchte.
Wenn wir Frauen Anschub geben, wie eben beschrieben, ihnen Starthilfe leisten, stehen immer mehr Frauen auf den Bühnen. Und das wiederum sorgt dafür, dass vielleicht immer immer mehr Frauen auf die Idee kommen, sich selbst sich als Speakerinnen zu etablieren und zu positionieren. Hey, ich hab ein Thema, hey, ich hab was zu sagen! Bühnen wo seid ihr? Es ist aber auch gleichzeitig die Aufforderung, Ermunterung und Appell an uns Damen: Wenn ihr was habt, ein Thema, dann kontaktiert proaktiv Veranstalter. Wenn ihr Frauen kennt, „geile Uschis“ - dazu gleich mehr - schlagt ihnen vor, auf die Bühnen zu gehen. Klassische PR-Arbeit. Klassisches Networking. Und dann: Arbeitet hart an euren Vorträgen und Performances. Schaut euch TED-Talks an. Studiert das Buch dazu. Und dann: Go for it.
Relevanz & Mut
Wer wirklich an einem fairen Speaker-Panel interessiert ist, wer wirklich eine gesellschaftlich relevante Delle ins Universum hauen will, der sollte bereit sein, diese Extrameile zu gehen. Ja, es ist Mehraufwand. Aber den betreibt man ja auch gern an anderer Stelle mit höchstem Einsatz aller Ressourcen und Kraftaufwand, wenn es z.B. darum geht, amerikanische Präsidenten nach Deutschland zu holen. Ja, klar, das ist beeindruckend, wow und mega. Mehr geht nicht. Aber wer profitiert davon? Und welche Relevanz hat das wirklich für unsere Gesellschaft und unser tägliches Miteinander hier und jetzt und in unserem Alltag? Frauen auf Bühnen zu holen und sie wie oben vorgeschlagen proaktiv dabei zu unterstützen, ist natürlich bei weitem nicht so mega und wow und Wahnsinn, Male-Ego-bürstend und zunächst vielleicht auch (noch) nicht money-makend. Denn die oben vorgeschlagene Vorgehensweise setzt voraus, dass man bereit ist, auch Menschen auf Bühnen zu holen, die selbst noch keine große Reichweite, Upsell-Produkte oder Funnel-Gedöns haben. Auch ein Vorwurf, der immer wieder kommt und an uns Frauen gerichtet wird. Ihr habt halt keine relevante Reichweite für uns. Hier darf man dann durchaus schon mal kritisch hinterfragen, worum es eigentlich bei all diesen großen Erfolgskongressen und Mega-Events wirklich geht.
Frustriert resignieren? Aufgegeben. Rückzug. Bockiges „Dann macht doch was ihr wollt!“. Unser Fehler. Mehr Einsatz. Mehr Kampf. Mehr Konflikt. Mehr nerven. Mehr Krawall. Mehr pain in the ass.
Und vielleicht gilt das auch in anderen Situationen, in denen Frauen sich zu früh zu frustriert und zu resigniert zurück ziehen und den Herren weiter das Feld überlassen - aus Angst anzuecken, aus falscher Loyalität, aus Angst, unbequem zu sein und dann nicht mehr lovely Darling, aus Angst, als Scheiß-Bitch-Emanze beschimpft zu werden und und und …. – statt selbstbewusst und unbequem auf Missstände aufmerksam zu machen und für Verbesserungen, von denen am Ende alle etwas haben, zu kämpfen. Pain in the ass zu sein, ist doof. Aber manchmal bitter nötig. Und wenn es nur dafür sorgt, dass hier und da die eine oder andere sich empowered fühlt, bei der nächsten Gelegenheit ihren berechtigten Ärger über Ungerechtigkeiten nicht länger stillschweigend hinzunehmen und den Mund aufzumachen, dann ist schon ein kleiner Schritt getan.
Alles Große, jede Veränderung, fängt mit einem ersten, kleinen, mutigen Schritt an. Raus aus der bequemen Deckung. Raus aus den Komfortzonen.
Women only?
Es gibt als Alternative durchaus einige Women-Only-Events. Aber das kann nicht die Lösung sein. Ich wünsche mir ein Miteinander statt ein Gegeneinander. Ich wünsche mir auch, dass es immer um die Sache an sich geht, nie um das Geschlecht. Aber ich verzweifle daran. Ich selbst kann mit Women-only Veranstaltungen wenig anfangen und fühle mich von den meisten dort gebotenen Themen und Speakerinnen weder empowered noch empfinde ich sie als Role-Model. Im Gegenteil, oft bin ich peinlich berührt, wenn Frauen sich selbst gegenseitig ankündigen mit „Oh, und sie ist schon über 60 und sieht immer noch total toll aus!“ oder eine Finanzberaterin auf der Bühne allen ernstes darüber redet, wie wichtig ein eigenes Konto ist und ein Aufräumcoach darüber spricht, wie gut es ist, den Schrank aufzuräumen. Ähm, echt jetzt, Ladies?
Ich spiele schon lange mit dem Gedanken, einen „Geile-Uschi-Kongress“ zu veranstalten. "Geile Uschi“ ist für mich ein selbstironisches Kompliment an all die tollen, großartigen Frauen, wie z.B. weiter oben in den Vorschlägen beispielhaft genannt. Ich will sie auf den Bühnen sehen. Und wenn keiner sie holt, dann mache ich es eben?! Gleichzeitig denke ich, nee, verdammt, genau das willst du eigentlich nicht, es ist das komplett falsche Signal. Denn ich wünsche mir Events, wo es völlig selbstverständlich ist, dass Frauen und Männer gleichberechtigt und miteinander ihre Stories erzählen. Frauen sollen und dürfen sich nicht auf Nebenschauplätzen in ihren Women-Only-Feminin-Kuschelwelten verstecken, sondern müssen da mitspielen, wo es ALLE mitbekommen, nämlich da, wo der richtig heiße und echte Business-Scheiß abgeht.
Haltung. Bitte.
Überall reden die großen Speaker, Macher, Entrepreneure, Querdenker und Innovatoren mit großen Gesten von Change, Innovation, Veränderung, Wachstum, Wandel, Risiken eingehen, neue Wege gehen. Nur in einem Bereich darf all das offensichtlich genau nicht geschehen, hier soll alles schön beim Alten bleiben, am liebsten bei dem von vorgestern: Wenn es darum geht, Frauen mit ins Boot zu holen. Hier wird sich noch viel zu wenig angestrengt und bemüht und statt dessen den Frauen die Schuld in die Schuhe geschoben. Ihr seid halt nicht gut genug, nicht sichtbar. Tja. Pech gehabt. Wenn ihr Männer mal deep, deep in euch hineinschaut, wollt ihr das nämlich gar nicht. Aus so vielen Gründen. Denn es zieht euch das Herz zusammen und vielleicht auch manch andere Körperstelle. Da sitzt ein Gollum in euch, der laut krakeelt: Mein Plaaaaaaaatz!
Die Future ist nicht female, wie sie alle überall bockig propagieren. Das ist völliger Quatsch. Die Future ist auch nicht männlich. Die Future ist Fe-And-Male. Beides. Effortless. Unangestrengt. Zwanglos. Völlig natürlich. Und selbstverständlich. Let´s, please, work on it. Alle zusammen. ❤