California State of Mind - ein Reisebericht (Teil 2)
Meine zweite California-Bike-Tour mache ich mit Kashi. Kashi ist eigentlich „Private Chef“, Privatkoch in wohlhabenden Haushalten und Familien, und auch er macht das mit den Bike-Tours, wann immer er Lust und Laune und Zeit dafür hat. Ich habe zu Kashi sofort einen guten Draht, und wir quatschen und philosophieren während unserer Tour über unterschiedlichste Themen. Ich verpasse die ganze Zeit fast die coole Landschaft um mich herum, weil ich so vertieft ins Gespräch bin. Wir fahren von Ojai 15 Meilen (ca. 24km) runter an die Küste nach Ventura zum Beach. Und später die selbe Strecke wieder hoch zurück. Er schämt sich für Trump, und ich frage ihn, ob er es für wahrscheinlich hält, ob Michelle Obama die nächste Präsidentin wird. „Wir würden uns das alle sehr wünschen, sie wäre fantastisch, aber so richtig glaube ich das nicht. Warum sollte sie sich den Stress ein zweites Mal antun?“, sagt er. Aber er nennt einen Namen einer anderen Frau, den ich dummerweise schon wieder vergessen habe, von der er denkt, dass sie auch eine prima Anwärterin wäre.
Kashi kichert darüber, als ich „Fick die Henne!“ fluche, weil es auf dem Rückweg bei 30 Grad nur bergauf geht und es echt richtig anstrengend ist, sich mit dem Bike da abzustrampeln („You really say `Fuck the chicken´ in Germany?!“) und wir philosophieren darüber, was Menschen wirklich glücklich macht. „Die Familien, bei denen ich koche, die haben alles. Die sind unfassbar reich, schön und erfolgreich. Aber sie sind nie zufrieden, nie wirklich glücklich.“ Ein Lebens-Dilemma-Klassiker, die berühmte innere Leere, die das viele Außen nie stopfen kann. „Die sollten einfach mal in mein Airbnb zum Welpen-Kuscheln kommen, dann sind die bestimmt glücklich“, sage ich.
Als wir in Ventura am Strand stehen, sind viele Surfer im Wasser. Ich beobachte sie fasziniert und sage, mehr leise nebenbei, dass ich schon immer mal surfen lernen wollte. Kashi sagt, dass er drei bis vier mal die Woche ganz früh morgens vor der Arbeit runter zum Beach fährt und ein, zwei Stunden surft. Ich beneide ihn in dem Moment total. Ich gehe normalerweise morgens im usseligen Grüngürtel in Köln joggen. Na super.
Auf der Beach-Promenade treffen wir einen Arbeitskollegen seiner Frau, er fährt im nassen Surfanzug barfuß Fahrrad, unterm Arm sein Surfbrett geklemmt. Das Klischee lebt. Kashi und er quatschen kurz. „Der arbeitet hier direkt um die Ecke und geht jede Mittagspause mal eben eine Stunde surfen“, sagt Kashi. Ich bin schwer beeindruckt. In Köln hängste Mittags, wenn du Glück hast in der Sonne, auf dem Brüsseler Platz rum. Und hier geht man mal eben surfen. Verdammte Axt, ich finde das geil. Und es zieht in meinem Bauch vor Sehnsucht nach diesem Lifestyle. An der Beach-Promenade stehen zig Vans, Pick-Ups und Bullys, und die Surfer stehen in ihren Anzügen da rum, quatschen miteinander, sind gut gelaunt, ziehen sich einfach in ein großes Handtuch gewickelt um, machen keinen Hehl daraus, es ist das normalste auf der Welt. Alle haben einen ziemlich zufriedenen Gesichtsausdruck. Und ja, wenn ich das jetzt noch mal Revue passieren lasse, ich habe viele Surfer in der Zeit gesehen, ich habe nie einen Surfer gesehen, der ´ne Fresse gezogen oder mies gelaunt geguckt hat. Die strahlen alle so eine grundsolide Happiness aus.
Lesson 10: Surfen scheint glücklich zu machen.
Und dann sagt Kashi: „Komm doch morgen früh mit. Ich zeig´ dir, wie das geht.“ Ich bekomme Riesen-Augen: „Waasss?!! Ich? Mit zum Surfen?! Aber ich hab keine Ausrüstung!“ Kashi: „Kein Problem, besorg ich dir. Und ich verspreche dir, du wirst morgen nach zwei Stunden schon auf dem Brett stehen.“ Ich so: „Really? Are you serious? Bist du sicher, dass du mich Anfänger-Huhn zwischen all den Surf-Pros an der Backe haben willst?“ Kashi winkt ab, lacht. Ich kann das kaum glauben, ich gehe surfen! Ich raste etwas aus. Ich freue mich darüber wirklich wie ein kleines Kind, das sich auf seinen Geburtstag freut. Als ich von unserer ca. sechs-stündigen Tour zurück bin, bin ich trotz der Erschöpfung total aufgekratzt. Ich gehe surfen, Alter! Einfach so, ohne dass ich das wirklich geplant habe, sondern weil es sich gerade einfach so ergibt, weil ein netter Mensch, den ich gerade mal seit vier Stunden kenne, mir anbietet, mir meine erste Surf-Lesson zu geben. Einfach so, ohne Gedöns und völlig unkompliziert.
Lesson 11: Manchmal kommen die Dinge, die du dir schon immer gewünscht hast, einfach so vorbei spaziert. Du musst nur zugreifen.
Wie sagte meine Freundin Alica zu mir, als ich ihr aufgeregt ihr Whatsapp vollplappere: „Siehste, manche Dinge, die man sich sehnlichst wünscht, die trägt man eben immer bei sich und strahlt das aus. Du hast das ausgesendet, dass du surfen willst. Und der Kashi hat das eben gespürt.“
Ich weiß nicht, seit wie vielen Jahren ich immer wieder gesagt habe: Ich finde Surfen geil, ich will das auch mal lernen, machen, ausprobieren. Nicht nur das Surfen, der ganze Lifestyle drum herum, das macht mich einfach an. Ich habe mal hier und da halbherzig nach Surfcamps gegoogelt. Und dann den Tab im Browser offen gelassen, und dann kam der Alltag und das „echte Leben“ und immer wieder dieses „Ach nee, jetzt nicht“, und irgendwann wurde der Tab wieder weggeklickt. Genauso wie der Traum vom Surfer-Girl. Wie das eben so oft ist mit unseren Träumen oder zumindest der Neugier, einfach mal was neues, anderes auszuprobieren.
Lesson 12: Schnapsideen verpuffen schnell. Aber richtig gute Träume lassen dich nie los.
Am nächsten Morgen steht Kashi um 7:30 Uhr mit seinem zu einem einfachen Wohnmobil umgebauten kleinen Lieferwagen bei mir vor der Tür. Ich sehe die Surfbbretter hinten drin liegen, und ich quietsche vor Aufregung. Kashi amüsiert sich darüber. Für ihn ist das alles völlig normal, morgens ´ne Runde Surfen zu gehen, ist sein Alltag. Und ich benehme mich wie ein Teenager vor ´nem Justin-Bieber-Konzert. Aber das ist mir egal, ich will meine kindliche Freude nicht verstecken. Die Strecke, für die wir gestern mit dem Rad fast zwei Stunden gebraucht haben, schaffen wir jetzt in 20 Minuten.
Wir parken auf dem „Surfer-Dude“-Parkplatz, und ich bin so aufgeregt, weil ich für ein paar Momente Teil dieser besonderen Neopren-Anzug-Gemeinschaft sein darf. Kashi packt die Surfbretter aus und gibt mir meinen Anzug, in den ich mich reinzwänge. „Be careful that you don´t show your naked butt to the people here“, sagt Kashi. „Wie, ich soll das Ding nackig anziehen?“ frage ich irritiert. Kashi lacht. Ja, die meisten ziehen die Anzüge mit nichts drunter an. Aber es sei auch okay, wenn ich meinen Bikini anlasse. Ich bevorzuge für den Start diese Variante. Ich mag den Anzug und fühle mich augenblicklich ziemlich wohl darin.
Kashi erklärt mir einige Dinge zu meinem Brett, es ist ein weiches Longboard, gut für Anfänger, warum wieso weshalb, das verstehe ich nicht. Aber ist mir auch egal, ich mag „mein Brett“ sofort. Dann zeigt er mir, wie ich auf dem Brett in den Stand komme, wo die richtige Position ist, und macht mir das vor. Man springt sozusagen, ein bißchen wie bei einem Burpee, hoch und drauf. Sieht einfach aus. Und an Land ist es das auch. „Aber brauche ich jetzt nicht noch bisschen Theorie? Wellen, Wetter, Meer, Technik?“ frage ich Kashi unsicher. Er lacht nur. „Nö. Komm einfach mit und mach.“ Go with the flow. Mein Motto schon die ganze Zeit in California. Rübe und Verstand ausschalten, und einfach mal machen. Normalerweise hätte ich mir vorher zig Bücher geholt und mir das Surfen „angelesen“, um top vorbereitet zu sein. Aber ich bin sozusagen wie die Jungfrau zum Kinde zu meiner ersten Surflesson gekommen, ich hatte gar keine Zeit dafür. Und vielleicht ist das auch gut so.
Ich habe ganz schön damit zu tun, das riesige Brett unter meinen Arm zu klemmen und damit lässig über die Strandpromenade zu stolzieren. Das Brett ist so groß, dass mein Arm fast gar nicht rum kommt, und es ist doch ganz schön schwer. Ich torkele etwas. Kashi lacht sich kaputt und sagt mir, ich kann es auch auf dem Kopf tragen und mit beiden Händen festhalten. Ich stelle mich so dämlich an, dass ich mir schon an Land blaue Flecken nur durchs Tragen des Brettes hole.
Lesson 13: So´n Brett unterm Arm zu tragen, sieht so einfach aus. Aber da fängt´s schon an. Isses nicht. Oder vielleicht stelle ich mich auch einfach nur dämlich an.
Die nächste Herausforderung: Mit dem Brett ins Wasser zu kommen. Denn es ist kein seichter Strandabschnitt mit weichem Sand, der vor uns liegt, sondern alles voller Steine. Kleine, große, spitze, runde. Ich so: „Äh, und da soll ich jetzt mit Brett barfuß runter kommen?“ Kashi nur furztrocken zu mir: „Yeah. Lesson one for every surfer and a very important skill - walk barefoot no matter how the ground is. Just jump from one flat stone to the next.“ Und dann ist er in ein zwei Schritten auch schon lässig tänzelnd im Wasser. Okay, jetzt bloß nicht blamieren, denke ich mir. Ich schaffe es irgendwie auch runter ins Wasser, nur brauche ich deutlich länger und es sieht deutlich weniger cool und elegant aus bei mir. Eher so wie ein torkelnder dicker Pinguin. Wobei Pinguine sehr gut surfen können, wie man im Film „Könige der Wellen“ sehen kann.
Der Pazifik ist morgens um acht im April noch ganz schön kalt. Davon merken zum Glück nur meine Füße und Hände etwas, der Rest meines Körpers ist dank des Neopren-Anzugs sofort warm. Kashi erklärt mir, wie ich mit dem Brett ins Line-Up komme, also dahin, wo die Surfer auf ihre Wellen warten. Am Strand habe ich einige Schilder mit „Surfer-Regeln“ gesehen, die Surf-Knigge und eine Art „Verkehrsordnung“ regeln. Wie man sich verhält, wer Vorfahrt hat etc. Wusste ich alles nicht, ich dachte, man surft einfach drauf los. Aber es gibt wohl einige echte No-Gos, zum Beispiel jemandem die Welle wegzuschnappen, wenn er nicht dran ist. Ich dachte, so eine Welle hat Platz für viele Surfer, aber offensichtlich muss das Möchtegern-Surfergirl da noch so einiges lernen. Kashi erklärt mir, wie ich mit dem Brett die Wellen überwinde. Kleine Wellen einfach drauflegen, die Spitze nach oben drücken, paddeln und drüber schwappen. Bei großen Wellen mit einer Art Eskimo-Rolle unten durch, bei der man sich das Brett an den Körper klemmt, mit dem Brett sich unter die Welle rollt und dann wieder auftaucht. In Youtube-Tutorials lerne ich später noch andere Varianten kenne. Ja, man kann heutzutage alles mit Youtube lernen.
Dann weist mich Kashi in die Kunst des Paddelns ein. Lange, kräftige langsame Züge statt viele kleine unbeherzte. Und immer drei mal mehr paddeln. Mindestens. Paddeln ist das Ah und Oh, und Kashi „schnauzt“ mich etliche Male an, als meine Arme, meine Schultern und mein Nacken brennen und ich nicht mehr kann. „Paddle, paddle, paddle! You can do it! You´re not yet at 100%!“ Dann setzen wir uns aufs Brett, auch das ist eine Kunst, cool auf dem Brett abzulungern ohne das Gleichgewicht zu verlieren und ins Wasser zu platschen, und Kashi erklärt mir noch zig Sachen. Bis dahin komme ich ganz gut mit dem Brett und den Wellen zurecht. Und ich komme mir so unfassbar cool dabei vor, eine von ihnen zu sein. Da cool im Line-Up zu sitzen, ein bißchen zu paddeln, auf den Horizont zu starren, die morgendliche Sonne im Gesicht. Das hat auch was meditatives. Surfen ist Geduld und Warten, auch das lerne ich.
Ich beobachte fasziniert, wie die anderen Surfer eine Welle nach der anderen erwischen, einfach aufs Brett springen und lässig davon surfen. Das sieht so verdammt einfach aus! Und dann sagt Kashi „Da hinten, siehst du die Welle, die dritte? Das ist unsere. Die nehmen wir.“ Ich schaue, und ähm, ich sehe, ähm, nichts. Wie soll ich denn da eine dritte Welle erkennen? Da ist nichts. Nur Meer. Ich muss definitiv etwas Theorie in Sachen Wellenverhalten lernen. Ich verlasse mich einfach auf Kashis Anweisungen, drehe mein Brett um, bringe mich in die richtige Position und als Kashi ruft, „NOW! PADDLE! PADDLE! PADDLE! THEN JUMP ON THE BOARD!“ starte ich mein Manöver. Mir bleibt auch nicht viel Zeit zum Nachdenken. Denn auf einmal, aus dem Nichts, ist da diese Welle. Es ist die dritte Welle, die Kashi gesehen hat, ich aber nicht, und die auf einmal da ist. Kashi feuert mich an, ich paddele was das Zeug hält, und auch von rechts höre und sehe ich, wie eine ältere Surf-Lady mich anfeuert mit „Go Girl, go girl, go girl, catch your wave!“ Ich denke noch, ich habe keine Ahnung, was ich hier gerade tue. Ich paddele, ich höre die Welle, und dann versuche ich aufs Brett zu springen, schaffe es kurz zumindest in die Hockposition, immer noch mich daran festhaltend, merke, dass ich gleich runter falle, schmeiße mich wieder bäuchlings aufs Brett, bin im ersten Moment enttäuscht, dass ich es nicht geschafft habe, ins Stehen und aufs Brett zu kommen, aber dann merke ich, wie ich dennoch die Welle voll erwischt habe, und ich jetzt einfach mit Voll-Speed im Body-Surfing-Modus von der Welle davon getragen und mit gefühlt 25kmh an den Strand getragen werden. Schon allein das fühlt sich mega unglaublich gut an. Ich juchze. Wie muss sich erst „richtiges Surfen“ anfühlen? Alle sagen, wenn du es einmal geschafft hast, das ist ein Life-Changing-Moment, das Gefühl sei besser als bekifft sein. Manche sagen auch, es ist besser als Sex. Als die Welle mich und mein Brett sanft abgesetzt hat, schaue ich hinter mich, und sehe Kashi, wie er cool schräg an mir vorbei surft. Er hat seine eine Welle erwischt.
„You almost got it“, sagt Kashi, als ich mich wieder mühsam ins Line-Up zurück aufs Meer zu ihm paddelnd gekämpft habe. Ich grinse, „ja, auch wenn ich´s nicht geschafft habe, war es trotzdem geil!“. Dann sehe ich die ältere Surf-Lady, die mich eben noch inbrünstig angefeuert hat, an mir lässig vorbei surfen.
Überhaupt beobachte ich fasziniert, dass a) viele Frauen am Start sind und b) echt viele „ältere“ Surfer, Silver-Surfer sozusagen. Und am geilsten sind die „alten Surf-Dudes“, richtige Surf-Opas, die mit ihren dicken Bierbäuchlein und den grauen Haaren in ihren Surf-Suits echt cool aussehen, und die Wellen so lässig reiten, da klappt mir nur die Kinnlade runter. Und auch draußen auf dem Parkplatz, da hängen die Surf-Opas mit den jungen Kerlen ab, den Neo einfach lässig runtergeklappt, und sie lachen und strahlen, und die sind einfach die allercoolsten am Beach. Andere in dem Alter versauern im Altenheim und jammern rum, über all ihre Zipperlein, und die hängen den ganzen Tag am Beach ab und gehen mal alle halbe Stunde in die Wellen ´ne Runde surfen. Die haben Sonne, Strand und Meer und die junge Surfer-Crowd den ganzen Tag um sich, wie geil ist das bitte?! Ich finde, das ist ein schönes Lebenskonzept für das „Renten-Alter“.
Ich ärgere mich im Nachhinein, dass ich keine Bilder der alten Surf-Dudes gemacht habe. Schon allein deshalb muss ich wieder kommen. Vielleicht schreibe ich auch ein Buch darüber. Wer weiß.
Auf jeden Fall habe ich jetzt eine Vision für mein „Alt-Werden“. Wenn ich schon kein Surfer-Girl mehr werde, dann werde ich auf jeden Fall eine Surf-Oma. Mit fettem Pick-Up. Und kleiner Bude in Strandnähe, mit einem kleinen Airbnb, das ich betreue. Anmeldungen und Buchungen nehme ich gerne schon jetzt entgegen. Was braucht man mehr?
Lesson 14: Ich werd´ Surf-Oma.
Als ich wieder auf meinem Brett sitze und auf die nächste Welle warte, frage ich Kashi: „Gibt´s hier eigentlich Haie?“ Kashi: „Yes, there are plenty of them.“ Ich schaue mit großen Augen und ziehe meine im Wasser baumelnden Füße sofort aufs Brett. Kashi lacht. Und er klärt mich über die Statistiken auf, dass eine Million mehr Auto-Unfälle passieren als Hai-Angriffe. Mein Verstand versteht das, mein Gefühl sagt was anderes. Erst letztens habe Kashi einen Wal gesehen, keine 20 Meter vor ihm, „and I saw his eyeball, it was huge“, und Kashi macht eine ausufernde Armbewegung. Ja, so ein Pazifik ist schon was anderes als die Nordsee bei Husum. Außerdem sei ich safe, weil Haie, wenn, dann nie Surfer auf Longboards angreifen würden. Jetzt bin ich beruhigt. Nicht.
Nach zwei Stunden im Wasser, in denen immer wieder Wellen kommen, die ich aber leider nicht bekomme, ich komme einfach nicht ins Stehen aufs Brett, und ich merke, wie mir Hände und Füße fast abfrieren, ich nichts mehr spüre, sage ich zitternd und frierend zu meinem Surf-Guide: „Ich muss dich enttäuschen, du hast mir versprochen, dass ich es heute schon schaffe, aber ich kann echt nicht mehr.“ Kashi hat an mich geglaubt, aber ich habe nicht wirklich an mich selbst geglaubt, dass ich es schon bei meiner ersten Stunde auf eine Welle schaffe und diese reiten werde. „Surfing is all about mindset“, hat Kashi ganz oft zu mir gesagt. Daran darf ich also noch arbeiten. Ich bin trotzdem nicht enttäuscht, das ganze war bis hierhin so oder so eine sensationelle und geile Erfahrung. Ich hatte auch wirklich nicht damit gerechnet, so viel Anfängerglück zu haben. Oder dass ich ein Natur-Talent bin. Ich bin eher enttäuscht darüber, dass ich Kashi enttäuschen muss, weil er total davon überzeugt war, dass ich es schaffe.
Als wir wieder an Land sind und ich mit meinem Surfbrett unterm Arm an der Strandpromenade frierend entlang laufe, fragt eine Dame, die die ganze Zeit den Surfern zu sieht „And, did she get her first wave?“ Kashi: „Almost!“. Ich schaue ihn verwundert an. „Ja, du hast Beginner auf der Stirn stehen“, und lacht, „Surfer riechen Anfänger auf dem Brett schon von weitem und erkennen das. Und alle sind ganz aufgeregt und fiebern mit, dass ihr eure erste Welle erwischt.“ Irgendwie rührt mich diese „Anteilnahme“, auch wenn meine Eitelkeit etwas gekränkt ist, schließlich kam ich mir schon ziemlich cool auf dem Brett vor und hätte nicht gedacht, dass man das so sehr zehn Meilen gegen den Wind riecht, dass ich von Tuten, Blasen und Surfen echt keine Ahnung habe.
Und jetzt schulde ich Kashi eine Welle. Meine erste Welle, die ich im Stehen surfe. Ich werde das nachholen. Und habe meine erste Surf-Lesson in Langenfeld, einer künstlichen Surf-Welle, gebucht und Surf-Schulen in Holland gegoogelt. Ich werde dort einige Wochenenden in diesem Jahr verbringen. Und diesmal schließe ich den Browser-Tab erst, wenn ich vermelden kann:
„I catched my very first wave!“.
IM DRITTEN UND FINALEN TEIL: Wie ich von einem Sheriff gejagt werde, der Umzug in ein magisches heart-warming Bed&Breakfast mit Frosch-Konzert, ein verzauberter Outdoor-Buchladen, die große Dankbarkeit für die Firefighter - und dass man überhaupt eines der größten Feuer der Geschichte überstanden hat, Tarot-Karten die mir die Zukunft bzw. meine momentane Situation deuten, warum ich von Santa Barbara nicht wirklich angetan bin, ich fast meinen Rückflug verpasse uvm.